■ Zwischenruf: Im Überseehafen werden Entwicklungschancen zugeworfen
Der Bremer Senat hat es beschlossen: Der Großmarkt soll vom Flughafen ins alte Hafenrevier umsiedeln, da dort genug 'minderwertige' Fläche vorhanden ist, und darüber hinaus gleich ein marodes Hafenbecken, der alte Überssehafen, zugeschüttet werden kann. Bei einer Veranstaltung der Grünen Bürgerschaftsfraktion mit Häfensenator Uwe Beckmeyer wurde deutlich, daß weniger ein ausgereiftes Verkehrskonzept die Grundlage für diese Entscheidung ist, sondern daß Wirtschaft und Häfen unter Ausschluß von Bau- und Stadtentwicklung Flächen getauscht haben, weil beim Flughafen höherwertige Flächen für Büro- und Gewerbe benötigt werden. Und da es bisher kein tragfähiges Stadtentwicklungskonzept für die wirtschaftlich kaum noch genutzten Häfen gibt, soll der Großmarkt die Belebung bringen.
Guckt man sich vor Ort den alten Überseehafen an, so befinden sich gleich rechts neben dem Becken und den angrenzenden Schuppen die alten Speicher XI, neben den Bachmann-Speichern am alten Holz- und Fabrikenhafen die fast einzigen historischen Gebäude, die im II. Weltkrieg nicht zerstört wurden. Da der Großmarkt quadratisch sein muß, wird er direkt an diese historischen Gebäude angrenzen. Hinzu kommt, daß der Großmarkt kein 'Gemüsemarkt' mit Publikumsverkehr ist, sondern ein Verteilungsbetrieb von Waren, die mit ca. 1.600 Fahrzeugen täglich am frühen Morgen vertrieben werden; nicht zugänglich für die Öffentlichkeit. Wird also aus der Umsiedlung des Großmarktes an diese Stelle Wirklichkeit, würden die alten Speicher für eine mögliche Nutzung für Gewerbe, Wohnen und Kultur verloren gehen.
Sie sind aber Symbol und historische Erinnerung für ein zentrales Kapitel Bremer Geschichte; sie brachliegen zu lassen, bis sie irgendwann wegen Einsturzgefahr abgerissen werden müßten, wäre kulturhistorisch und politisch unverantwortlich! Nicht weniger historisch bedeutsam sind die alten Hafenbecken. Alle wissen, wie sehr historische Gebäude und Anlagen, auch wenn sie heute anders genutzt werden, Geschichte verkörpern und zur Identität einer Stadt und ihrer Bevölkerung gehören. Gerade der Zugang zu den sichtbaren Überresten der alten Hafenreviere (Holz-u. Fabrikenhafen mit den Bachmann-Speichern und der alten Feuerwache und dem sich fußläufig anschließenden Speicher XI) wäre für die Bremer und die Waller Bevölkerung ein großer Gewinn, unabhängig davon, ob sich hier einmal Wohnen oder Gewerbe, Gastronomie oder Kultur ansiedeln ließe. Mit dem Großmarkt an dieser Stelle wäre diese Chance vertan.
Wenn die Entscheidung, daß der Großmarkt ins alte Hafengebiet zieht, nicht mehr zu ändern wäre, so müßte zumindest die Frage, wo er am besten angesiedelt wird, neu diskutiert werden. Hinzu kommen ungelöste Verkehrsprobleme. Die Planung einer wesentlichen Verbindungsstraße vom Großmarkt zum Waller Ring macht deutlich, daß der Waller Ring, obwohl eine reine Wohnstraße und seit Jahren unnötig durch Schwerlastverkehr belastet, als wesentliche Verkehrsachse gesehen wird. Dies ist nicht hinnehmbar. Der Waller Ring darf mit dem Großmarktverkehr nicht belastet werden!
Die Waller Grünen lehnen deshalb das jetzt vorliegende Konzept ab.
Cecilie Eckler-von Gleich
(Mitglied der Grünen Beiratsfraktion in Walle, Leiterin des Geschichtsarchivs im Brodelpott e.V.)
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