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Zwischen den RillenSatanische Verve

■ Definitiv slammend: Drisch das Metall mit den Buben von Slayer und Monster Magnet

Bei Monster Magnets weiß man, was man den Leuten schuldig ist, bei Slayers erst recht: Gotteslästerungen nämlich, Teufelsverherrlichungen, tausend Injektionsnadeln, blutende Ohren, Posen mit grüner Teufelskralle und Pin-up-Girls. Das und noch viel mehr sieht man in und auf den Booklets ihrer neuen Alben, die auch so heißen, wie sie aussehen. „Powertrip“ (Monster Magnet) und „Diabolus In Musica“ (Slayer). Ob das alles nun noch böse und provokativ gemeint ist oder schon ausgefuchst lustig und albern? Den Eltern-schützen-ihre-Kinder-Sticker konnten sich beide Bands damit jedenfalls nicht verdienen. Und die einen wie die anderen wissen wohl nur zu gut, daß ihre kühnsten und fiesesten Phantasien nicht herankommen an das, was mittlerweile auch der scheinbar unbescholtenste Bürger an Schweinereien auf der Pfanne und Leichen in seinem Keller liegen hat.

Slayer immerhin entfachten in den Achtzigern eine kleine Diskussion darüber, ob es sich bei ihnen nun um ausgewachsene Faschometaller handelte oder doch nur um ein paar dumme amerikanische Jungs, die arglos und sehr frei mit faschistischer Ästhetik hantierten. Indizien: ein Faible für Stahlhelme und deutsche Schäferhunde, für Hakenkreuze und Springerstiefel; ein Song wie „Angel Of Death“, der als eine Hommage an den Nazischlächter Mengele mißverstanden werden konnte; ebenso krude wie wohlwollend klingende Äußerungen des Sängers und Exilchilenen Tom Araya über das Pinochet-Regime in Chile. Das konnte man ernst nehmen oder auch nicht – Slayer gelten noch heute als eine der politisch unkorrektesten Bands wo gibt.

Dieser Ruf hielt Menschen, die mit Metal sonst nichts am Hut hatten, nicht davon ab, den Slayerschen Speedmetal sich eine Zeit lang als toll und hipsterverfeinernd einzuverleiben. Speedmetal, so wertvoll wie Free Jazz, so Avantgarde wie sonst nichts, und dann in Form von Slayer auch noch verrucht: So lautete wohl mal die Denke über diese Spielart des Metal. Ihren ästhetischen Mehrwert aber verloren Slayer mit jedem neuen Album. Nur geringfügig veränderten sie und ihr Fan und Produzent, der Defjam-Gründer Rick Rubin, ihren Speed-, Knüppel-, Death-, Böse- und Sonstwas-Metal. Geradezu aufatmen tat man, als Slayer ihre Lockerungsübung „Undisputed Attitude“ veröffentlichten, ein flottes und auch nicht unlustiges Album mit Punk- und Hardcore-Coverversionen. Immer einig aber waren sich Slayer darüber, nie so werden zu wollen wie Metallica. Die Metalballade und der halbgare Midtempo- Schmocker stehen bei ihnen auf dem Index, da sind sie auch auf „Diabolicus In Musica“ konsequent. Glaubt man der Plattenfirma, fährt die Band damit aber nicht schlecht, fünf ihrer neun Alben sollen Goldstatus in den Staaten erreicht haben.

Damit die Hausschuhe wie auch alles andere in der Metalgemeinde am angestammten Platz stehen bleiben können, ist auch „Diabolicus In Musica“ so gleich und so gut und so wertvoll wie andere Slayer-Alben. Beispielsweise „Hell Awaits“ oder „Reign In Blood“. Produziert wie immer von Rick Rubin, gurrt und knurrt Araya so unmelodiös und unmusikalisch wie eh und je und röhrt Schlauheiten wie „No blood, no glory“, „Antichrist is the name of god“ oder „No fear, no pain, no life“. Die Gitarristen Hannemann und King geben wieder die volle Ladung mit mal ganz schrecklichen Soli, mal ganz hübschen und kathartischen Gitarrenfiguren. Man muß wohl beim Metalhammer arbeiten, um hier neues Fett, neuen Hardcore oder sonst irgendwas Neues und Feines heraushören zu können. Um es mit der Source zu sagen: „Diabolus In Musica“ ist definitiv slammend.

Was auch für Monster Magnets fünftes Album gilt, das einmal mehr bestätigt, was die New Yorker Band seit ihrer Gründung vor sieben Jahren rüberbringen will: Es fehlt ein entscheidendes Jahrzehnt in der Bio, eben die Siebziger und ihre spacige, postpsychedelische, drogengeschwängerte und fröhliche Seite. Die imaginieren wir uns mit unserem Sound. Ein satanisches Drogending, das mittlerweile alle verstehen und das auch Kids von heute eine Frühsiebziger-Band wie Hawkwind näher bringt. Auf „Powertrip“ funktioniert das am besten, wenn Sänger Wyndorf in Intros oder ganzen Songs wie „Baby Götterdämerung“ (!) das fett und rauschend Rockende einfach ein wenig verzögert, in der Schwebe hält. Und anders als Slayer haben Monster Magnet auch nichts gegen eine zünftig- schwülstige Ballade, mit der sie vielleicht endlich auch mal die Charts angreifen können. Die allerdings auch nicht darüber hinwegtäuscht, daß Monster Magnet genauso wie Slayer ein Auslaufmodell sind. Denn ein wenig sich über sich selbst lustig machen, den ganzen Höllen-, Teufels-, Drogenquark ein wenig zu transzendieren: Das würde beiden der Abwechslung halber mal gut tun.

Sollten sie mal nicht mehr sein, dürfte man sich aber auch als Teilzeitfan nach ihnen zurücksehnen: Dann pflegt und hegt man ihre Alben sicher genauso liebevoll wie Autofreaks ihren K70 oder BMW 2002 und gibt sie nicht aus der Hand. Sonst gnade dir Gott oder, schlimmer, Monster Magnet: „See You In Hell“! Gerrit Bartels

Slayer: „Diabolicus In Musica“ (American Recording/Columbia)

Monster Magnet: „Powertrip“ (A&M/Polydor)

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