piwik no script img

Zwiebel-Wickel um den Hals

■ Die Grippe-Viren kommen – doch nicht nur Hypochonder können etwas dagegen tun

rippewelle fordert ersten Todesfall“ – eine sonore Nachrichtenstimme aus dem Radio weckt den Hypochonder. Nach zwei Sekunden kratzt der Hals, die Glieder sind schwer. Bremens HypochonderInnen erinnern sich noch heute an diese Schreckensmeldung: Der Run auf den schützenden Impfstoff ging los. „Höchste Eisenbahn“ sei es auch jetzt wieder, Vorsorge zu treffen, rät da der Bremer Hausarzt Ulrich Weigeldt. Denn die Grippeviren sind wieder auf dem Vormarsch, warnt auch das Bremer Gesundheitsamt.

Im Amt wartet der Mediziner Werner Wunderle auf erste Grippe-Welle-Anzeichen. In den europäischen Nachbarländern Frankreich und der Schweiz wurden schon erste Grippefälle bekannt. „Bei uns hat sich bisher jedoch noch niemand gemeldet,“ sagt der Mediziner, der im Gesundheitsamt für Infektionsepidemiologie zuständig ist. Die Grippeviren würden erst Ende Dezember erwartet – und dann etwa bis Ende Februar in der Hansestadt ihr Unwesen treiben.

Die winzigkleinen Krankheitserreger sind ganz böse Gesellen, die sich jedes Jahr in einem anderen Mäntelchen verstecken, so der Internist. Doch ob in grünem oder rotgepunkteten Kleid – der Virustyp bleibe immer gleich. Die Folgen jedoch auch: Husten, Schnupfen und Fieber greifen das Immunsystem an – der Körper kann plötzlich schädliche Bakterien nicht mehr bekämpfen. „Da kann es dann zu eitrigen Stirnhöhlen- oder gar Lungenentzündungen kommen“, erklärt der Hausarzt Ulrich Weigeldt.

Grausige Aussichten, die beim gemeinen Hypochonder schon im voraus pochende Kopfschmerzen auslösen. So schnell wie möglich wird er oder sie sich in freiwillige Isolationshaft sperren, sämtliche schniefende KollegInnen aus dem Büro werfen und künftig keine fremden Tassen mehr anrühren. „Das ist alles Blödsinn“, beruhigt der Hausarzt Ulrich Weigeldt. Die Viren seien nämlich gar keine eigenständigen Lebewesen, „die sind ja nach ein paar Sekunden an der frischen Luft sowieso tot.“

Viel gefährlicher sei da schon die sogenannten „Tröpfcheninfektion“: Also Vorsicht vor allem bei hustenden Menschen, die einem zu nahe rücken. „Da springt dann Feuchtigkeit über“, so Weigeldt. Auch der Griff zu einer angehusteten Hand könne gefährlich sein. Vom Küssen ganz zu schweigen. „Da müssen Sie sich dann überlegen, ob sie mit dem kranken Partner mitleiden wollen. Oder ob sie sich gegenseitig lieber pflegen wollen.“

Doch selbst wenn die Grippe kommt, sei noch nicht alles zu spät, „wenn wir von gesunden Menschen ausgehen.“ Kranke und alte Menschen sowie Beschäftigte in Berufen mit viel Publikumsverkehr sollten sich auf jeden Fall impfen lassen. „Sonst kann es zu Todesfällen kommen.“

Gesunde Menschen jedoch sollten sich nicht allzusehr sorgen. Die könnten sich bei hohem Fieber ins Bett legen und bei starken Halsschmerzen mit Thymian, Salbei und Kampfer gurgeln. „In chemischen Halstabletten sind örtliche Betäubngsmittel drin und Desinfektionsmittel, mit denen ich nur mein Klo putzen würde“, weiß der Mediziner.

Doch gerade in der Rathsapotheke sind Aspirin, Wick-Medi-Nait und Halstabletten „besonders gefragt“, verrät eine Mitarbeiterin. „Die Berufstätigen haben für altbewährte Hausmittel einfach keine Zeit“, sagt sie. Dabei würde gerade das uralte Oma-Rezept, der „Zwiebel-Wickel“ um den Hals „Wunder wirken.“ Die Zwiebeln müßten gehackt und dann in einem Tuch um den Hals gelegt werden. „Das sind ätherische Öle, die ausdünsten und die Durchblutung anregen“, erklärt der Allgemeinmediziner Ulrich Weigeldt die angenehm heilende Wirkung.

Ganz allgemein setzt Weigeldt auf Gelassenheit und gute Vorsorge. Er selbst hätte den letzten Grippe-Winter in Bremen mit seinem ersten Todesfall glatt verpaßt. Er war im österreichischen Gebirge, um sich „richtig abzuhärten.“ Der Arzt kann den Hypochondern deshalb nur eines auf den Weg geben: Viel Obst essen, viel trinken und viel frische Luft atmen – „dann sind wir alle eigentlich vor Grippen am besten geschützt“. kat

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen