Zweiter Anlauf auf ProSieben: Manchmal kommen sie wieder
2008 floppte bei ProSieben die großartig-düstere Krimiserie "Unschuldig". Jetzt kriegt sie eine zweite Chance - als Film: "Killerjagd. Töte mich, wenn du kannst" (Montag, 20.15 Uhr).
Was bisher geschah? Mensch, da haben Sie letztes Jahr im Sommer aber nicht besonders gut aufgepasst. Wahrscheinlich, weil zu Hause die ganze Zeit Fußball-EM lief.
Also, zur Erinnerung: Eine junge Rechtsanwältin setzt sich für Verurteilte ein, die zu Unrecht hinter Gittern sitzen. Sie rollt alte Verbrechen neu auf und ermittelt unter Einsatz ihres Lebens die wahren Täter - bis sie selbst zum Opfer wird: entführt, angeschossen, im Koma. Als sie wieder aufwacht, ist die Angst da. Und der Sendeplatz weg. Zwölf Folgen der eigenproduzierten Krimiserie "Unschuldig" strahlte ProSieben im vergangenen Jahr aus, und weil die Zuschauer zu dieser Zeit lieber ein zweites Sommermärchen mit Michael Ballack und Lukas Podolski sehen wollten, stand nachher fest: Die Serie wird nicht fortgesetzt.
Für eine deutsche Produktion war "Unschuldig" ungewöhnlich düster, fast kühl, aber eben auch spannend und hervorragend gemacht, weil sie sich Zeit ließ, vielschichtige Charaktere über mehrere Episoden zu erzählen. Vielleicht war das Publikum einfach nicht darauf vorbereitet, dass so was möglich ist, ohne ein amerikanisches Vorbild zu kopieren. Dass Alexandra Neldel in der Rolle der Anwältin Anna Winter jetzt trotzdem wieder im Fernsehen auftaucht, muss man ProSieben jedenfalls hoch anrechnen.
Die Rückkehr trägt den Titel "Killerjagd. Töte mich, wenn du kannst" und beschränkt sich erst einmal auf 90 Minuten. Ein Jahr nach der Entführung versucht Winter ihr Leben neu zu ordnen. Sie hat ihren Beruf aufgegeben und heuert in einem Callcenter für Rechtsberatung an, obwohl der Geschäftsführer sie eigentlich erst gar nicht einstellen will: "Sie sind doch überqualifiziert!" Den Job kriegt sie trotzdem, wird aber von ihrer Vergangenheit eingeholt, als ein Unbekannter sie am Telefon auffordert, einen Mann aus dem Gefängnis zu holen, der für einen Mord verurteilt wurde, den er nicht begangen hat. Winter beginnt zu ermitteln und gerät wieder in Gefahr.
Es ist kein überragender, aber ein anständiger Krimi, den ProSieben da am Montag in seiner Spielfilmreihe "Thrill Time" zeigt, die sonst für ganz große Katastrophen reserviert wird. Wie angenehm, dass da ausnahmsweise mal kein Flugzeug abstürzen muss, kein Virus ausbricht und das Wetter auch nicht den Eindruck macht, als stünde eine Sturmflut bevor - so hell wie im Film die Sommersonne über Berlin scheint. Dadurch hat "Töte mich, wenn du kannst" gegenüber "Unschuldig" aber leider einiges an Düsterkeit verloren, und Neldel spielt die junge Rechtsanwältin deutlich emotionsbetonter als vor einem Jahr. So war der Deal, mit dem Produzent Sascha Schwingel sich die Fortsetzung gesichert hat: Die Zuschauer sollen mit der Protagonistin mitfühlen können und sich nicht mehr von der irritierenden Atmosphäre abschrecken lassen.
Das ist schade, funktioniert aber trotzdem. Bedauerlich ist jedoch, dass Winters ehemaliger Kanzleikollege, in "Unschuldig" überzeugend ruppig von Clemens Schick gespielt, nur eine Gastrolle hat. Mit etwas Glück ändert sich das noch. Wenn die Quoten diesmal überzeugen, könnte ProSieben sich darauf einlassen, statt einer Serie eben in loser Folge eine Krimireihe im 90-Minuten-Format fortzuführen, wie sie dem Privatfernsehen verloren gegangen ist, seit Sat.1 vor einigen Jahren "Eva Blond" mit Corinna Harfouch einstellte. Die taffe Anwältin steht dem ehemaligen Telenovela-Star Neldel nämlich hervorragend, weil sie damit beweist, nicht nur das verträumte Mädchen vom Land spielen zu können.
An die Qualität der Serie kommt "Töte mich, wenn du kannst" zwar nicht heran, allein schon, weil zu wenig Zeit ist, sich mehreren Charakteren zu widmen. Aber wenn wir unseren Weihnachtswunsch an ProSieben schon vorziehen dürfen, lautet der: Weitermachen!
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