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Zweite Bundesliga: St. Pauli gegen IngolstadtTemporärer Torjäger Boll

Die zweite Fußball-Bundesliga beginnt Absteiger FC St. Pauli wegen einer Platzsperre des DFB in Lübeck. Vor nur 10.000 Zuschauern mühen sich die Hamburger zu einem 2:0-Sieg gegen Ingolstadt.

Geht doch: Nach 150 sieglosen Tagen dürfen die St. Paulianer wieder jubeln - dank zweier Tore vom besten Spieler der Abstiegssaison, Fabian Boll (l.). Bild: dpa

LÜBECK taz | Nach dem ersten Spiel weiß man noch nicht alles - im Fußball weiß man nie alles -, aber wir wissen ein bisschen mehr als vorher. Nach dem 2:0-Sieg des FC St. Pauli gegen den FC Ingolstadt 04 wissen wir, dass Trainer André Schubert mit drei Neuen in der Anfangsformation beginnt: Im Tor Philipp Tschauner, als linker Innenverteidiger Lasse Sobiech, beide mit guter Leistung, als rechter Außenverteidiger Sebastian Schachten, der deutlich hinter seinem ausgezeichnet kickenden linken Pendant Jan-Philipp Kalla zurückbleibt. "Gratuliere zur Leistung ihres Sohnes", sagt Manager Helmut Schulte nach dem Spiel zu Kallas Mutter. Schachten muss in der 71. Minute dem lange verletzten Carsten Rothenbach weichen.

Wir wissen auch, dass Schubert das vom DFB nach dem Bierbecherwurf vom Millerntor verhängte "Strafspiel" an der Lübecker Lohmühle mit einer 4-1-4-1- Grundaufstellung anfängt. Der eine Mann im defensiven Mittelfeld ist Boll, der eine Stürmer Charles Takyi. Takyi ist wohl ein Notnagel auf dieser Position, weil Schubert den verletzten Ebbers nicht nach nur einem einzigen Training mit der Mannschaft bringen will.

Wenn Boll alleine im defensiven Mittelfeld spielt, bedeutet das für ihn mehr Laufarbeit als zu zweit: "Das bekommt man nicht alles zugelaufen", sagt er. "Da müssen die offensiven Mittelfeldspieler mitarbeiten." Und das tun sie in der ersten Halbzeit nicht. Florian Bruns, Deniz Naki, Max Kruse, Fin Bartels und Stürmer Charles Taky arbeiten nicht gut gegen den Ball; gut ist allein, dass Ingolstadt nicht in der Lage ist, damit etwas anzufangen.

Wir wissen, dass Schubert ein Trainer ist, der nicht stur an seinem Konzept festhält, sondern wechselt, wenn es sein muss. "Dann haben wir umgestellt", erklärt Boll hinterher, "das klappte besser." In der 63. Minute bringt Schubert, angepöbelt von einigen der 10.093 Zuschauer, für den in der Spitze überforderten Takyi Mannschaftskapitän Fabio Morena, einen Defensivspieler.

Morena spielt nun neben Boll, das Mittelfeld steht besser, Ingolstadt kommt nicht mehr so leicht durch, für den FC St. Pauli geht mehr nach vorne. So ist das im Fußball, dass aus besserer Ordnung mehr Offensive entstehen kann.

Das 1:0 fällt aus einer Standardsituation: Ingolstadts defensiver Mittelfeldspieler Malte Metzelder foult in der 50. Minute Fabian Boll, der die Strafe auf dem Fuß folgen lässt: Ex-HSV-Keeper Sascha Kirschstein im Ingolstädter Kasten macht einen Schritt nach links, der Ball fliegt rechts ins Tor (51.).

Ein gelassener Torwart hält so einen Ball. Dann macht der hibbelige Naki aus zwei St.-Pauli-Chancen kein Tor, die Ingolstädter Moritz Hartmann und Leonhard Haas scheitern an Tschauner, der wie ein Zaun steht. Und dann die Entscheidung, als der frühere Wolfsburger Innenverteidiger Marino Biliskov eine Flanke von links in die Mitte köpft, wo wieder Boll steht und ins rechte Eck trifft. "Darf er öfters machen", sagt Trainer Schubert grinsend.

Wir wissen aber auch, dass Schubert sich nicht von Zahlen blenden lässt, denn er kritisiert seine Mannschaft mehr, als dass er sie lobt: "Das wird eine richtig schwere Saison. Wir haben es nicht geschafft, den Ball schneller laufen zu lassen. Es gibt eine ganze Menge zu verbessern."

Zu selten klappt es wie Mitte der ersten Halbzeit, als es so geht: Naki, Takyi, Hacke, Naki. Die Spieler wissen, dass nach oben noch Luft ist. Kalla, auf seine Leistung angesprochen, wird ein wenig rot, als er sagt: "Fand heute, ja, hm, jo, hm, das war eigentlich ganz okay." Und fügt gleich an: "Es geht immer noch mehr."

Wir wissen, dass der FC St. Pauli nicht so schnell wieder in Lübeck spielen möchte. Möglichst erst, wenn der ortsansässige VfB im Profifußball angekommen ist, denn schön ist der Weg vom Bahnhof vorbei an unzähligen Autohäusern ins Stadion nicht.

Wir wissen, dass die Pauli-Fans den Sieg richtig einschätzen können, denn auf der Fahrt im Sonderzug zurück nach Hause singen sie, trotz viel Bier und Wodka-Mixgetränken: "Temporärer Tabellenführer". Schon am kommenden Montag geht es zum Mitabsteiger Eintracht Frankfurt.

Fabian Boll weiß noch was aus der vergangenen Saison: "Wenn wir da was gelernt haben, dann: nicht auf der Vorrunde ausruhen."

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