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Zwei Tage die Woche international

■ Nicht alle Pioniere im jungen Hochschul-Studiengang „Internationale Pflegeleitung“sind heiß auf Australien, sondern gehen ins nahe Holland

Guido ist selig – in weniger als zwei Wochen wird er im fernen Australien sein. Für ein Semester an der Southern Cross University in Lismore. Guido ist einer von den 18 „Pilot-Studenten“, die vor zweieinhalb Jahren als erste den neugegründeten Internationalen Studiengang für Pflegeleitung – kurz ISP – an der Bremer Hochschule angetreten haben. Das Auslandssemester ist obligatorischer Bestandteil des Studiums.

Doch längst nicht alle sehen dem Auslandsaufenthalt mit dem gleichen Enthusiasmus entgegen wie Guido. Viele ISP-StudentInnen müssen sich ihr Studium mit Nebenjobs finanzieren, unter ihnen sind nicht wenige alleinerziehende Mütter. Einige haben sich sogar mit aller Kraft dafür eingesetzt, daß die StudentInnen, für die es aus familiären oder finanziellen Gründen ein echtes Problem darstellt, nicht zum Auslandssemester gezwungen werden. Allerdings ohne Erfolg – die internationale Ausrichtung des Studiengangs ist das Zückerchen, mit dem die Bremer Hochschule lockt. Aber es wurde ein Kompromiß gefunden. Die betroffenen StudentInnen werden ihre internationalen Erfahrungen an niederländischen Unis sammeln - zwei bis drei Tage pro Woche.

Kompromisse und Abweichungen vom ursprünglichen Studienkonzept für angehende Pflegeleiter haben die „Pioniere“geprägt. In den ersten drei Semestern gab es keine Professur, es wurde mit Aushilfskräften gearbeitet. „Am Anfang hab ich schon daran gedacht aufzuhören. Es war nichts organisiert, es bestanden kaum Kontakte zu ausländischen Unis“, so hat Sabine die ersten Semester erlebt. Doch dann hat sich die ehemalige Krankenschwester voll ins Zeug gelegt, um ihren Traum von einem Auslandssemester in Australien wahr werden zu lassen. Sie hat an die australische Botschaft geschrieben, sich Vorlesungsverzeichnisse von verschiedenen Unis schicken lassen, Kontakte geknüpft. Und es hat geklappt.

Nicht ganz so erfolgreich war Andrea. Sie wollte nach Neuseeland. Aber auf ihre vielen Anfragen hat sie keine Antwort bekommen. Nun gehts nach Groningen „na ja – Holland ist ja auch ganz schön“.

Inzwischen haben die beiden ihre Zweifel über Bord geworfen und können ihrem Pionierstatus durchaus etwas abgewinnen. „Wir haben enorm viel Freiraum gehabt und konnten auch 'rüberbringen, was wir wichtig finden in diesem Sudiengang.“Zu ihrem Sinneswandel hat vor allem die einjährige Praxisphase während des Studiums beigetragen. Jede StudentIn mußte sich ein Praktikum bei einem Krankenhaus, Altenheim oder mobilen Pflegedienst organisieren. Sabine und Andrea waren in der evangelischen Diakonissenanstalt Gröpelingen und haben dort geforscht, welche Informationen über die Patienten bei der Übergabe vom Früh-zum Spätdienst verlorengehen. „Eine ganze Menge“stellte sich heraus. Die Mitarbeiter des Pflegeheims haben die beiden Studentinnen denn auch am Anfang als „Spione der Pflegeleitung“gesehen. Später entwickelte sich aber ein gutes Verhältnis.

„Die Praxisphase hat viel gebracht“, so das übereinstimmende Resümee der ISP-Studies. Welche Berufschancen sie haben werden, weiß allerdings noch niemand so recht einzuschätzen. B.A.

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