piwik no script img

Zwei Sendungen mit Mark MeechanBBC rekrutierte verurteilten Neonazi

BBC Schottland hatte bereits zwei Sendungen mit einem Rechtsextremen aufgezeichnet. Erst nach Protesten machte der Sender einen Rückzieher.

Meechan wurde zu einer Geldstrafe von 800 Pfund verurteilt, die er bis heute nicht bezahlt hat Foto: PA Wire

Dublin taz | Die Einsicht kam spät. Die BBC Scotland hat am Sonntag zwei Sendungen mit einem verurteilten Neonazi abgesetzt, nachdem es massive Proteste gehagelt hatte. Mark Meechan war voriges Jahr verurteilt worden, weil er ein Video auf YouTube hochgeladen hatte, auf dem der Mops seiner Freundin auf den Zuruf „Juden vergasen“ den Hitlergruß zeigt. Das Video endet mit Hitlerbildern und einem Foto des Hundes mit einer Zahnbürste als Hitler-Schnurrbart.

Der schottische Digitalsender der BBC, der erst seit vorvergangenem Sonntag auf Sendung ist, hatte bereits zwei Folgen mit Meechan unter dem Titel „The Collective“ aufgezeichnet. Sie sollten im April gesendet werden. Das Besondere an der Debattenserie ist, dass es keinen Moderator gibt, der eingreifen könnte. Die Diskussionsteilnehmer sind sich selbst überlassen. Mit Meechan saßen der Podcaster James English und die Domina Megara Furie am Tisch.

Man habe sich die Sache nochmal überlegt, sagte ein Sprecher der BBC Scotland. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht angemessen ist, Herrn Meechan als Mitwirkenden einzubeziehen.“ Wenige Stunden zuvor hatte die BBC noch mit der „breiten Vielfalt der Mitwirkenden“ und der „robusten redaktionellen Kontrolle“ geprahlt.

Meechan, der aus der schottischen Grafschaft Lanarkshire stammt und im Internet unter dem Namen „Count Dankula“ postet, behauptete, er sei kein Rassist, sondern habe mit dem Video lediglich seine Freundin ärgern wollen. Die Richter nahmen ihm das nicht ab, da Meechan enge Verbindungen zur rechtsradikalen English Defence League hat.

Recht auf Beleidigung?

Außerdem ist der 31-Jährige vorigen Sommer der United Kingdom Independence Party (Ukip) beigetreten. Ukip hat sich längst von einer EU-feindlichen Partei zu einer rechtsextremen Organisation gewandelt. Gemäßigtere Mitglieder haben die Partei nach dem Brexit-Referendum 2016 verlassen, weil sie sich am Ziel wähnten. In den vergangenen zwölf Monaten ist die Mitgliederzahl jedoch um 50 Prozent gestiegen. Viele der 8.000 neuen Leute sind jung, rechtsextrem und vor allem antisemitisch, darunter der bekannte Neonazi Tommy Robinson, der inzwischen zum Berater der Parteiführung aufgestiegen ist.

Meechan wurde wegen seines Videos im April vorigen Jahres zu einer Geldstrafe von 800 Pfund verurteilt, die er bis heute nicht bezahlt hat, wie er am Wochenende stolz verkündete. Er sagte, das Video, das bisher 3,8 Millionen Mal aufgerufen wurde, habe einen komödiantischen Wert. Das Urteil bezeichnete er als „Einschränkung seiner Meinungsfreiheit“. Er habe aber nichts anderes erwartet. „Bereits während der Dreharbeiten dachte ich, dass niemand das senden werde“, sagte er.

Meechan startete nach dem Urteil eine Internetkampagne, um 100.000 Pfund für die Berufung zu sammeln. Bereits einen Tag später hatte er das Geld beisammen. Das Gericht ließ die Berufung jedoch nicht zu.

Der jüdische Komiker David Baddiel und sein Kollege Ricky Gervais sowie der Schauspieler Stephen Fry verteidigten Meechan. Auch die Geschäftsführerin von Index on Censorship, Jodie Ginsberg, sagte, das Recht auf freie Meinungsäußerung müsse das Recht auf Beleidigung umfassen, sonst sei es bedeutungslos.

Jüdische Organisationen sehen das freilich anders. Matthew Berlow von den Glasgow Friends of Israel sagte über das Video: „Es ist absolut widerlich. Ich weiß, dass Antisemitismus sehr populär geworden ist. Meechans politische Ansichten können ja wohl kaum als Meinung durchgehen.“ Man komme in ein Zeitalter, in dem die Generation der Holocaust-Überlebenden aussterbe, fügte er hinzu. „Das Internet ist zur Brutstätte für Idioten wie Meechan geworden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare