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Zwei Jahre nach dem SicherheitsgipfelÜbrig bleibt die Repression

Für soziale Arbeit, Hilfe für Süchtige oder Parkläufer gibt es keine Anschlussfinanzierung. Dagegen bleiben Videoüberwachung und der Görli-Zaun.

Kümmert sich in Zukunft noch jemand um die Obdachlosen vom Leopoldplatz? Foto: dpa

Berlin taz | Zwei Jahre ist der Sicherheitsgipfel her, den der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in Reaktion auf eine mutmaßliche Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park einberufen hatte. Zahleiche Maßnahmen, soziale wie sicherheitspolitische, waren beschlossen worden, um insbesondere auf die Problematik von Drogenkonsum, Verwahrlosung und Kriminalität an Hotspots wie dem Görli oder dem Leopoldplatz zu reagieren. 28,5 Millionen Euro wurden für zwei Jahre zur Verfügung gestellt.

Angesichts der auslaufenden Finanzierung für den Großteil der Projekte ist es Zeit, Bilanz zu ziehen – genau darauf zielt eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Niklas Schrader, Elif Eralp und Klaus Lederer, deren Antwort durch den Senat der taz vorliegt. Die zuständige Senatsverwaltung für Umwelt schreibt darin von fast 100 genehmigten Anträgen durch das Lenkungsgremium: Finanziert wurde ein bunter Blumenstrauß: von der Suchtprävention an Schulen, über Parkläufer bis zum Ankauf einer Unterkunft für wohnungslose, drogenabhängige Frauen in Neukölln.

Die Projekte sollen dazu dienen, der komplexen Problemlage aus dem „Anstieg von Drogenkonsum“ und der „Übernutzung einzelner öffentlicher Orte“ entgegenzutreten. Als beispielhaft wird ein Maßnahmenbündel für den Leopoldplatz benannt, das mehr Polizei mit Sozialberatung und Suchthilfe in Form von mobilen Konsummöglichkeiten, einer personalbesetzten Toilette und kultureller Belebung des Platzes kombiniert.

Niklas Schrader von der Linken sagt: „Viele der Maßnahmen sind wirklich sinnvoll.“ So etwa die aufsuchende Sozialarbeit „Case Management“ am Leo. Nur: Der erste Sozialarbeiter hat seinen Job im März begonnen, der zweite im August. Lapidar heißt es vom Senat: „Die Finanzierung beider Stellen endet mit dem 31. 12. 2025.“ Schrader kritisiert: „Wenn man nachhaltige Wirkung erzielen will, muss man das länger machen. So ist es ein Strohfeuer, ohne Effekt.“

Keine Parkläufer mehr

Vor dem Ende stehen fast alle sozialen Maßnahmen, so etwa auch die Parkläufer. Laut dem vorläufigen Haushaltsplan soll das stadtweite Projekt gestrichen werden – CDU und SPD erhoffen sich damit Einsparungen von sechs Millionen Euro. 100 Mitarbeitende sind betroffen. Ebenso wenig fortgeführt wird wohl auch das Peer-Projekt, bei dem Drogenabhängige Spritzen einsammeln. Dabei attestiert der Senat der Maßnahme eine „signifikante Verbesserung der Sicherheit und Sauberkeit im öffentlichen Raum“. In Kreuzberg wurden dafür 130.000 Euro ausgegeben.

Von den sozialen und gesundheitspolitischen Maßnahmen wird wohl wenig übrig bleiben, abgesehen von Anschaffungen wie zwei neuen Konsummobilen, Schließfächern für Obdachlose oder Beleuchtungsanlagen im Schlesischen Busch und im Görli.

Nicht angetastet werden dagegen „repressive Maßnahmen“, wie Schrader sagt, also etwa Kameraüberwachung, für die zusätzlich vier Millionen Euro bereitgestellt werden oder der Zaun um den Görlitzer Park – die teuerste Einzelmaßnahme des Sicherheitspakets.

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