Zwei Jahre Xiomara Castro in Honduras: Zwischen Frust und Hoffnung
Als Xiomara Castro 2022 Honduras' erste Präsidentin wurde, galt sie als Hoffnungsträgerin. Doch ihre bisherige Bilanz ist mager.
Doch davon ist zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt recht wenig zu sehen. Immer wieder stand die Regierung Castro einer geschlossenen Opposition gegenüber, die Reformen blockierte und alles andere als konstruktiv agierte.
„Vor allem die konservative Nationale Partei von Ex-Präsident Juan Orlando Hernández hat sich einer Blockadepolitik verschrieben, die viele Initiativen scheitern ließ“, analysiert Padre Melo. Der Jesuitenpater aus El Progreso, einer Mittelstadt zwischen der Industriemetropole San Pedro Sula und der Hauptstadt Tegucigalpa, ist ein bekannter kritischer Geist. Jahrelang stand er nicht nur ERIC-SJ vor, einem politischen Thinktank und Forschungsinstitut, sondern auch Radio Progreso, dem populären Radiosender, der die Strukturen im Land immer wieder kritisch unter die Lupe nimmt.
Daran hat sich nichts geändert, und darauf regiert die Regierung von Xiomara Castro empfindlich: „Wir haben keinen Kontakt zu den Kommunikationsverantwortlichen der Regierung, sind außen vor. Es gibt nur ein ‚mit uns‘ oder ein ‚gegen uns‘,“ kritisiert Padre Melo die wenig progressive Kommunikationsstrategie der Regierung. Die schaffe es obendrein nicht, die Erfolge, aber auch die Probleme der Regierung zu vermitteln, sie hole ihre Wähler:innen nicht ab, polarisiere unnötig, kritisiert der populäre Padre.
Korruption gehört noch immer zum Alltag
Mit dieser Einschätzung ist Ismael Moreno, so der bürgerliche Name des Padre, nicht allein. Auch Journalistinnen wie Dina Meza oder Anwälte wie Rita Romero, die die Umweltaktivistinnen aus Guapinol vertritt, attestieren der Regierung, sich eingeigelt zu haben und auf Kritik empfindlich zu reagieren. Doch die kommt zwangsläufig, denn die Regierung von Xiomara Castro ist mit vielen Versprechungen in den Wahlkampf gegangen, von denen viele noch auf Umsetzung warten oder bereits wieder vom Tisch sind.
Letzteres gilt für die Ankündigung vom Januar 2022, das mittelamerikanische Land frei von Bergbau zu machen – ähnlich wie im benachbarten Costa Rica. „Doch hier ist das Gegenteil der Fall. Hier wird Bergbau in einem Schutzgebiet stillschweigend geduldet und zusätzlich ein Kraftwerk geplant, das Schweröl-Reste energetisch nutzen will“, kritisiert der Umweltaktivist Reinaldo Domínguez aus Guapinol. Zwei Brüder von ihm wurden im Jahr 2023 ermordet, seitdem hat er sich wie etliche andere Aktivist:innen in das sichere El Progreso zurückgezogen, wo Jesuitenpadre Melo zu helfen versucht.
Dafür wäre eigentlich das Ministerium für Menschenrechte verantwortlich, die Secretaria de Derechos Humanos. Doch die gibt seit Amtsantritt ein verheerendes Bild ab. Mitte Januar haben 45 Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief die Defizite benannt und um einen Personalwechsel gebeten. Natalie Roque, Freundin der Präsident:innen-Familie, soll weichen. Wenig wahrscheinlich in einem Land, wo Seilschaften, Patronage-System und Korruption seit Jahrzehnten zum politischen Alltag gehören.
Daran lässt auch Enrique Barrientos keinen Zweifel. Der schnauzbärtige Mann ist froh, dass die Regierung bis dato kein Korruptionsskandal erschüttert hat. „Das ist positiv, früher gab es jede Woche einen. Heute funktioniert das Gesundheitssystem leidlich. Nur bei der Medikamentenversorgung herrscht Ebbe“, stöhnt der Mann, der seine Mutter zweimal die Woche zur Dialyse fährt, sein Geld mit Taxifahren verdient und hofft, dass im dritten Jahr der Regierung endlich der Durchbruch kommt.
Die Massenauswanderung geht weiter
Dafür stehen die Weichen gar nicht so schlecht, denn die Etats für die Reparatur der maroden Infrastruktur sind bewilligt, im Parlament hat Libre eine Koalition mit der Liberalen Partei beziehungsweise Teilen davon ausgehandelt und wird fortan eine einfache Mehrheit haben und so handlungsfähiger sein als in den vergangenen zwei Jahren. Das könnte den Reformstau lösen, und das hoffen auch die Anhänger der Präsidentin, die gern mit dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts werben.
So auch am 27. Januar, als Zehntausende mit Fahnen und in knallroten Libre-Shirts durch das Zentrum von Tegucigalpa marschierten und ihre Präsidentin feierten. Die wisse doch kaum, was im Land passiere, kritisieren die anderen, die sich enttäuscht von der ersten Frau im Präsidentenpalast abgewendet haben, weil sie weder schnell noch wie versprochen geliefert habe. „Wo bleiben denn die Justizreform, die UN-Kommission gegen Straflosigkeit und Korruption, die mit den Vereinten Nationen vereinbart ist, oder die Sozialprogramme, um die Auswanderung zu bremsen?“ kritisiert die Sozialarbeiterin Nidia, die ihren Nachnamen lieber nicht preisgeben will. Versprechen, die Xiomara Castro allesamt im Wahlkampf gegeben hat und an denen sie im 10,4-Millionen Einwohner:innen-Land gemessen wird.
Fast 200.000 Menschen haben 2023 das Land Richtung USA verlassen. Der permanente Aderlass schlägt sich während der Kaffeeernte bereits in fehlenden Erntehelfer:innen in Regionen wie Marcala nieder. In einigen Dörfern drohen die Kaffeekirschen an den Arabica-Sträuchern zu vertrocknen. Der Supergau für die Kaffeebäuer:innen.
Doch es fehlt an Programmen, um in den Anbauregionen Arbeitsplätze auch neben der Erntephase zu generieren. Verantwortlich dafür ist der Mangel an qualifizierten Personal, um derartige Programme zu entwickeln, mutmaßen Geschäftsführer von Kaffee-Genossenschaften, die lieber anonym bleiben wollen. Kaffee ist das wichtigste Exportprodukt des Landes.
Die Reform der Justiz lässt auf sich warten
Das dämpft die Stimmung im Land, und dazu trägt auch die Tatsache bei, dass die Regierung nur zögerlich und oft nur partiell informiert, wie weit die Verhandlungen mit den Vereinten Nationen gediehen sind, die eine Kommission zur Bekämpfung von Korruption und Straflosigkeit ähnlich wie ab 2007 in Guatemala schicken soll.
Viele Honduraner:innen sehen externe Hilfe als einzige Chance, um die festgefahrene Justiz wieder in Bewegung zu bringen. Doch daran haben längst nicht alle Interesse, wie die Neubesetzung der Generalstaatsanwaltschaft zeigt: Zwischen August und Oktober lieferten sich die Parlamentarier:innen Streitigkeiten bis zu Handgreiflichkeiten, weil sie sich nicht auf einen oder eine der fünf Kandidat:innen einigen konnten.
Seit dem 1. November vergangenen Jahres führt mit Johel Zelaya ein Übergangskandidat das Amt aus. Der Mann aus dem Libre-Umfeld gilt als ehrlich und qualifiziert. Das ist nach den acht Jahren seines hochkorrupten Vorgängers schon ein immenser Fortschritt.
Doch erste Reformen lassen noch auf sich warten, und so hofft das Land weiterhin auf die UN-Kommission. Die wird laut Experten in diesem Jahr kommen – nur wann, ist vollkommen offen.
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