Zweckoptimismus der Gläubiger: Wunderglaube in der Finanzkrise
Einen Primärüberschuss und Privatisierungserlöse könne Griechenland schaffen, meint der Chef des Eurorettungsschirms ESM Regling.
Diese Einschätzung zog sich durch die gesamten Ausführungen des Deutschen, der den 700 Milliarden Euro starken Rettungsfonds leitet: Griechenland werde schon in Kürze wieder einen deutlichen Primärüberschuss erzielen – also abgesehen vom Schuldendienst mehr einnehmen als ausgeben, zeigte sich Regling überzeugt. Dass durch die Privatisierung von Staatseigentum 50 Milliarden Euro erlöst werden können, sei realistisch. Und es sei „wahrscheinlich“, dass das Land noch vor Ablauf des dreijährigen Kreditprogramms an die Finanzmärkte zurückkehren könnte.
Zudem zeigte sich Regling zuversichtlich, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) doch noch mit bis zu 12 Milliarden Euro am Kreditprogramm beteiligen wird. Eine solche Beteiligung, die die Haftung der Eurostaaten reduzieren würde, ist besonders der deutschen Regierung wichtig.
Doch bei der Verabschiedung des Kreditpakets Mitte August hatte IWF-Chefin Christine Lagarde eine Beteiligung abgelehnt. Sie hält die Höhe der griechischen Schulden für „nicht tragfähig“ und fordert als Voraussetzung für eine Beteiligung eine deutliche Reduzierung der Schuldenlast. Das wiederum lehnt Deutschland entschieden ab.
Weiterer Aufschub denkbar
Auch Regling betonte in Berlin: „Ein Schuldenschnitt wird nicht auf der Tagesordnung stehen.“ Allerdings sei es denkbar, Griechenland bei der Zahlung von Zinsen und Tilgung noch weiteren Aufschub zu gewähren. „Das hat für den Schuldner den gleichen ökonomischen Effekt wie ein Schuldenschnitt“, sagte Regling. „Aber bei den Gläubigern entsteht dadurch keine Haushaltsbelastung.“
ESM-Chef Klaus Regling
Über Umfang und Laufzeit solcher Erleichterungen äußerte er sich nicht im Detail. Dass es um viele Jahrzehnte geht, deutete er nur mit einer Obergrenze an: „100 Jahre Laufzeit wären sicher absurd.“ Denkbar sei zudem, die Gewinne der Notenbanken aus den Griechenland-Krediten an Athen weiterzugeben.
Der Einschätzung, dass sich die Schuldentragfähigkeit auch ohne Schuldenschnitt verbessern lasse, habe sich inzwischen auch der IWF angeschlossen, sagte Regling. Wenn Griechenland die ersten Auflagen wie vereinbart umsetze, könne eine Entscheidung über Schuldenerleichterung und IWF-Beteiligung noch im Oktober fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag