Zuwanderungspolitik im Libanon: Die Bürgschaft
Die Regierung hat die Einreise erschwert: Nun müssen alle syrischen Flüchtlinge Bürgen vorweisen, um die Grenze übertreten zu dürfen.
Vor ein paar Tagen erhielt Khalil einen Anruf von einem syrischen Bekannten, der seine Familie aus Syrien in den Libanon nachholen möchte. Khalil ist Libanese und soll für die Frau und Tochter des Syrers bürgen.
So schreiben es die neuen Einreisebestimmungen für syrische Flüchtlinge auf der Internetseite der libanesischen Sicherheitsbehörde vor: „Syrern (…) ist nur erlaubt, in den Libanon zu kommen, im Falle, dass ein Libanese die Verantwortung für ihren Grenzübertritt und Aufenthalt übernimmt.“
Wer als Tourist, Student oder Geschäftsmann einreisen will, muss vorab den Grund seiner Reise darlegen und braucht keinen libanesischen Bürgen. Dafür muss er aber 1.000 US-Dollar auf dem Konto nachweisen und eine Hotelreservierung oder die Bestätigung über Wohneigentum im Libanon vorlegen.
Die libanesische Regierung zieht mit der neuen Visapflicht aus ihrer Sicht die Notbremse. Denn seit dem Beginn des Krieges in Syrien kamen über 1,5 Millionen Syrer (davon über 1,1 Millionen registrierte Flüchtlinge) in den kleinen Nachbarstaat, der selbst gerade mal vier Millionen Einwohner hat.
Gefragtes Flüchtlingsziel
Der Libanon nimmt heute im weltweiten Vergleich – nach Pakistan – die meisten Flüchtlinge auf, wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bestätigte. „Wir wollen den Flüchtlingsstrom in den Libanon eindämmen, weil wir die wirtschaftlichen und sozialen Belastungen nicht mehr alleine tragen können“, kommentierte Sozialminister Raschid Derbas die neue Einreiseverordnung.
Dabei ist unklar, welche Auflagen Syrer erfüllen müssen, die in das Nachbarland flüchten und nicht über die Bürgschaft eines Libanesen verfügen. „Wir warten immer noch auf Details der libanesischen Regierung bezüglich der Einreisebestimmungen für humanitäre Ausnahmefälle“, sagt Mona Monzer, Pressesprecherin des UNHCR in Beirut.
Laut Sozialminister beträfe die Neuregelung nicht jene Syrer, die vor dem 5. Januar in den Libanon gekommen sind. Bereits seit Oktober gilt für sie eine allgemeine Einreisebeschränkung, weshalb die Neuregistrierungen beim UNHCR fast um die Hälfte zurückgingen.
Dennoch ist die Zahl der Hilfsbedürftigen erdrückend. Besonders während der Wintermonate stoßen internationale Hilfsorganisationen logistisch und finanziell an ihre Grenzen. Seitdem vergangene Woche ein Wintersturm über den Libanon hinwegfegte, haben immer noch viele Flüchtlinge aufgrund der von Schnee blockierten Wege keinen Zugang zu humanitärer Hilfe.
Humanitäre Hilfe nötig
Schon im November plädierte der libanesische Ministerpräsident Tammam Salam auf der Flüchtlingskonferenz in Berlin an die internationale Gemeinschaft, dass sein Land auf mehr humanitäre Hilfe angewiesen ist. Damals gab Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bekannt, dass sich Deutschland mit zusätzlichen 500 Millionen Euro beteiligen würde – ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der UNHCR gab im Dezember bekannt, dass für das Jahr 2015 umgerechnet sieben Milliarden Euro für 18 Millionen Syrer in der Region benötigt würden.
Abgesehen von der prekären Situation im Libanon selbst belastet die Einreisebeschränkung auch das Verhältnis zu Syrien. Seit 1991 besteht ein bilateraler Vertrag, der, ähnlich dem Schengener Abkommen für Europäer, Libanesen und Syrer von der Visapflicht bei der Einreise befreit.
Ali Abdul Karim Ali, der syrische Botschafter in Beirut, sieht die Einreisebeschränkung, die der Libanon im Alleingang festgelegt hat, als einen Bruch dieser Vereinbarungen. „Jede Veränderung (des Vertrages, d. Red.) sollte zwischen den beiden Ländern diskutiert werden. (…) Damaskus ist nicht an einer Eskalation des bilateralen Verhältnisses zwischen den beiden brüderlichen Staaten interessiert“, sagte Ali gegenüber der libanesischen Tageszeitung al-Akhbar.
Dennoch drohte er im Gegenzug, die Grenzen für libanesische Güterfahrzeuge zu schließen. Damit würde Syrien die einzige Geschäftsverbindung über den Libanon über Land kappen, dessen Grenzen mit dem zweiten Nachbarstaat Israel dauerhaft geschlossen sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml