Zuwanderung und Spracherwerb: Respekt vor dem Unperfekten!

Wer nicht perfekt Deutsch spricht, begegnet häufig Spott. Viel entscheidener als korrekte Grammatik ist, sich überhaupt verständlich machen zu können.

Deutschkurs in Bayern für Geflüchtete aus der Ukraine, September 2022 Foto: Peter Kneffel/dpa

Das Niveau vieler Deutscher im Verständnis von Aus­län­de­r:in­nen, die die hiesige Sprache lernen, zeigt sich in den Chinesenwitzen: „Kommt ein Chinese in die Bäckerei und sagt: Ich möchte gelne ein Blödchen. – Die Verkäuferin: Kollegin kommt gleich.“ Harharhar. Beim Thema Spracherwerb werden wir dazulernen müssen, sonst wird das nichts mit der Erwerbsmigration, die wir so dringend brauchen.

In einer neuen Bertelsmann-Studie geben die Firmen Probleme an, die auftreten, wenn sie ausländische Fachkräfte rekrutieren. „Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten“ stehen ganz oben auf der Liste. Das Deutsche mit der komplizierten Grammatik und Aussprache, mit den Umlauten und Doppelkonsonanten ist in der Tat schwer zu erlernen, und das kann abschrecken.

Ausländer:innen, die hier leben und arbeiten, berichten aber auch, wie schnell sie von Deutschen von oben herab behandelt werden, wenn sie Artikel, Fälle und Zeiten nicht richtig setzen. „Gutes Deutsch“ ist immer noch ein soziales Distinktionsmerkmal. Dieser Sprachklassismus gehört in die Mottenkiste. Viel wichtiger als die korrekten Artikel ist die Funktion der Sprache: Man muss verstanden werden.

In London zum Beispiel hört man diverse Englischvarianten je nach Migrationsgeschichte. Das gehört wie selbstverständlich zu den kulturellen Besonderheiten. Die Studie empfiehlt zu Recht, dass der Spracherwerb für Er­werbs­mi­gran­t:in­nen im Herkunftsland beginnen sollte. Das Internet bietet alle Möglichkeiten, die Sprache einigermaßen interaktiv und lebensnah zu lernen. Dazu braucht es mehr kostenfreie Angebote, wie sie die Bundesregierung mit dem neuen Einwanderungsgesetz plant.

In den Firmen hierzulande wiederum müssten „Sprachlotsen“ bestimmt werden, die den vor Kurzem zugewanderten Kol­le­g:in­nen zur Seite stehen und bei Bedarf auch deren geschäftliche Mails gegenlesen. Wir brauchen ein globales Verständnis und mehr Respekt vor dem arabisch, asiatisch oder romanisch eingefärbten Deutsch mit den entsprechenden Besonderheiten. So viel Kosmopolitismus muss sein.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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