■ Grüne gegen Verfassungsschutz: Zur Opposition bewegt
An Etiketten fehlt es dem PDS-Abgeordneten Frederik Over wahrlich nicht: Für die einen ist er ein Politclown, für die anderen ein Verfassungsfeind – und Hausbesetzer ist er obendrein. Daß der Sponti sein parlamentarisches Spielbein ausgerechnet im Verfassungsschutzausschuß austoben will, wurde von den verfassungsschutztragenden Parteien folglich als Provokation verstanden. Dies um so mehr, als Over mehr als einmal deutlich machte, daß es ihm nicht nur darum ging, die Schlapphüte zu kontrollieren, sondern sie aufs Arbeitsamt zu schicken. Daß Over damit einen politischen Erfolg landen würde, damit hätte allerdings niemand gerechnet, am wenigsten die Abgeordneten der eigenen Fraktion.
Doch nun wollen neben der PDS auch die Grünen den Verfassungsschutz auflösen. Das ist zwar nicht neu, überrascht aber dennoch, weil die Grünen ihre Maximalforderungen bereits aus dem Parteiprogamm gestrichen haben. Natürlich hat der Regierende Bürgermeister den Bogen überspannt, wenn er allein wegen Over den ungeliebten Verfassungsschutzausschuß abschaffen will. Doch das alleine wäre noch kein Grund für die Grünen gewesen, nun ihrerseits die Auflösung dessen zu fordern, was dieser Ausschuß kontrollieren soll. Vielmehr erweckt die Neuauflage der Forderung den Eindruck, als hätten sich die Grünen darauf besonnen, daß Oppositionspolitik mehr sein kann als Regierungspartei im Wartestand zu sein. Und daß eine Forderung nicht nur daran gemessen wird, wie realistisch ihre Umsetzung ist, sondern auch daran, wie man damit die eigenen Vorstellungen verdeutlichen kann. Daß es dabei der PDS bedurfte, mag für manchen Grünen schmerzlich sein. Für eine entschlossene Oppositionspolitik gegen die schwarz-rote Vetternwirtschaft war es allemal hilfreich. Uwe Rada
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