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Zur Gewalt gegen Frauen

Analyse des Kriminalamtes Friedrichshain von Hauptmann Elstermann  ■ D O K U M E N T A T I O N

Durch die Kriminalpolizei Friedrichshain werden im Jahresdurchschnitt ca. 30 bis 50 Anzeigen wegen des Verdachtes der Körperverletzung gem. § 115 StGB geprüft, bei denen Frauen Opfer sind, und die zum überwiegenden Teil aus Partnerschaftskonflikten resultieren.Die Zahl der Frauen, gegen die als Täterin solcher Handlungen zu ermitteln war, ist unbedeutend. Weiter werden ca. 10 bis 20 Straftaten im Jahr gegen Frauen begangen, bei denen auf verschiedene Weisen ihre sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigt wird (Vergewaltigung, Nötigung zu sexuellen Handlungen). Auch bei diesen Straftaten gibt es einen beachtlichen Anteil, bei denen der Handlung eine konkrete Täter-Opfer-Beziehung voranging (Gaststättenbekanntschaften und ähnliches). Darüberhinaus werden 10 bis 20 versuchte Belästigungen bekannt, die in der Regel als Verfehlung (Beleidigung) zu verfolgen sind.

Insbesondere bei den zuerst genannten Körperverletzungen gegen Frauen, zumeist von einstigen oder gegenwärtigen Partnern begangen, gibt es neben den genannten Fällen, in denen Anzeige erstattet wurde, eine circa dreimal so große Anzahl von schutzpolizeilichen Einsätzen, bei denen dies nicht erfolgt (Antragsdelikt gem. § 2 StGB). Es ist festzustellen, daß in diesen Fällen der Einsatz der Polizei zur zeitweiligen Konfliktlösung angestrebt wird - teilweise auch von Personen, die selbst nicht am Konflikt beteiligt sind.

Mit polizeilichen Mitteln läßt sich so die unmittelbare Gewaltanwendung beenden, keinesfalls jedoch der Konflikt lösen oder reduzieren. Zumindest letzteres dürfte einen Teil der Erwartungen bei Hilfeersuchen an die Polizei beinhalten: 1. Disziplinierung des Täters (weniger im Sinne einer Bestrafung, mehr „damit er sowas nicht wieder macht“.) 2. Räumliche Trennung der Kontrahenten, ihn „mitnehmen“, „einsperren“, „aus der Wohnung raussetzen“. Auch dies ist nur in gesetzlich exakt beschriebenen Fällen, das heißt Ausnahmefällen zu realisieren.

Jedoch kann auch mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß in beachtlichen Größenordnungen Gewaltanwendung durch den Einsatz von Polizei nur unterbrochen, und nicht beendet wird. Wir vertreten insofern durchaus die Auffassung, daß neben der Bearbeitung der Ursachen des Konfliktes, was zweifellos völlig außerhalb jeglicher polizeilicher Tätigkeit erfolgen muß, die Möglichkeit der räumlichen Trennung als erster Schritt, um weitere Gewaltanwendung zu unterbinden, hilfreich wäre.

Die hier vorliegenden Aussagen zum Thema resultieren nicht aus wissenschaftlicher Analyse, sondern lediglich aus Erfahrungen der kriminalistischen Arbeit im Stadtbezirk Friedrichshain. Als Indiz dafür kann die Tatsache genannt werden, daß Sexualstraftaten innerhalb der Ehe (in der DDR gem. § 122 StGB - Nötigung und Mißbrauch zu sexuellen Handlungen) fast nie zur Anzeige kommen.

Unter der Voraussetzung der Realisierbarkeit von Beratungsstellen, Frauenhäusern oder anderen Projekten zum Schutz von Frauen vor Gewalt, wäre ein Zusammenwirken mit Polizei-Dienststellen insofern denkbar, daß wir den Opfern die entsprechenden Angebote vorstellen.

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