■ Zur Einkehr: Im Alex
Noch vor sechs Monaten fuhren Hinz und Kunz nach Oldenburg zum Einkaufen. Doch mit dem Bauboom in der Innenstadt versuchen die Bremer City-Kaufleute und der Senat verlorene Kundschaft wieder anzulocken. Damit einher geht eine Ausweitung des Après-Shopping-Programms. Die Ladenflächen werden „nur“erweitert, die der Gastronomie dagegen wuchern – darunter auch das Alex im C&A-Gebäude.
Eine Freitreppe und eine Theke von Düsseldorfer Format bilden die markantesten Blickpunkte des zweistöckigen Bistros. Der Architekt hat es so groß dimensioniert, daß sich auch bei regem Betrieb ein freier Platz finden – und bestaunen läßt: Leder, Kirschbaum oder Korbgeflecht machen den Eindruck, daß hier aus dem teuren Sortiment bestellt wurde. Zusammen mit den großzügigen Raummaßen und den falschen Stuckaturen an den hellen Decken werden hier Kaffeehaus- und Art-Deco-Elemente mit denen abwaschbarer Zweckmäßigkeit gekreuzt.
Doch während sich die Spuren der Kultur in der Einrichtung als aufwendig inszenierte Attrappe spiegeln, tauchen sie in der Speisekarte ab auf ein beliebiges Niveau. Wortschöpfungen wie „Komm Puter“(eine Art Gratin) und andere Spaßigkeiten übertönen nicht das Allerwelts-Angebot, das Alex auftischt: Die Tortellini mit Schinken-Dosenpilz-Sahnesauce, der Wurst-Käse-Salat und das Baguette prägen den Speisezettel wie die Ladenketten das Stadtbild zwischen Flensburg und Castrop-Rauxel. „Minden, Saarbrücken, Oldenburg, Bremen und bald überall“lautet der in der Eiskarte versteckte Slogan, mit dem Alex von der Provinz aus die Welt erobern will.
Auf der vergeblichen Suche nach Besonderheiten sehnt man sich fast nach mürrischen KellnerInnen zurück, doch im Alex sind sie freundlich und scheinen einem Katalog des Hausherrn C&A entsprungen zu sein. „Was kann ich für euch tun?“und „alles okay bei euch?“sind die Pershing II's der modernen Dienstleistungsgesellschaft. Unwiderstehlich, wenn Angie, Andreas oder Uschi fragen: „Hat's euch geschmeckt?“. Wenn die Mikrowellen-Tortellini wie neulich „Komm Puter“wie ein Kloß im Magen liegen und sich abzeichnet, daß die Gewürzmischung den ganzen Tag lang an Alex erinnern wird, ist dieser lax-bestimmende Umgangston einfach entwaffnend. „Ja, es hat geschmeckt“– wie es eben so schmeckt im Bistrobaldüberall (ab 1998 auch auf dem Bremer Domshof). Ein Lob noch für das Mineralwasser, bevor sich Alex vom Magen kommend für den Besuch bedankt. Christoph Köster
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