■ Zur Einkehr: In der „Olive“
Geburtstag. Lust auf etwas Besonderes. Also nicht immer das übliche Einerlei aus gefüllten Zucchiniblüten, überbackenen Artischockenherzen, hausgemachten Nudeln unter einer Steinpilzsauce und Panna Cotta mit echter Bourbonvanille zum Nachtisch.
Zack – schon sitzt man hoffnungsfroh in der „Olive“, der „Oase für Genießer“. Das Bistro an der Schwachhauser Heerstraße – größer als meine Westentasche, aber kleiner als das Handschuhfach eines mediokren Rolls-Royce – ist eingerichtet, wie es nur die Schnösel dieser Welt lieben können. Ungemütlich, dafür aber geschmacklos. Quasi zum Nudelerweichen. Womöglich lag es daran, daß der Nudelberg unter der köstlichen Schweinefilet-Austernpilzsauce erst knapp vor dem Wechsel in den Aggregatzustand „flüssig“ den Sprung auf den Teller geschafft hat.
Andererseits: In engen Räumen, wo man vor dem Einatmen den Nachbarn fragen muß, ob er nicht freundlicherweise gleichzeitig ausatmen könnte, kommt man den anderen Gästen sehr nahe. Was allerdings nur dann eine Freude ist, wenn man nicht neben fünf Damen zu sitzen kommt, deren größte Lebensleistung offenbar im allmorgendlichen Hanteln mit dem kiloschweren Krokodillederportemonnaie begründet liegt. Solche Damen treffen sich natürlich in der „Olive“, um sich knapp vier Millionen gräßlicher Urlaubsfotos zu zeigen, auf denen vor allem die Inneneinrichtung der Ferienanlage dokumentiert ist. Die im übrigen stilistisch verdächtig der Ausstattung der „Olive“ ähnelt.
Ach, dieser Sozialneid. Reden wir lieber von den schönen Dingen des Lebens. Zum Beispiel von den schwarzen und grünen Oliven, die jeder Gast mit köstlichem Brot ungefragt serviert bekommt. Oder dem warmen Tomatenbrotsalat mit roten Zwiebeln: Dermaßen lecker, daß man sich gerne – befände man sich nicht in einer „Oase für Genießer“ – die Schüssel über den Kopf stülpen würde. Auch das pfifferlingbesaucte Rösti war, abgesehen von der overdressingten losen Salatblattsammlung, durchaus anbetungswürdig. Und die bemerkenswerten Weine schließlich sind in Qualität und Preis von der Art, daß man gar für mehr als einen Moment in Erwägung zieht, die Damen vom Nebentisch zu einer klassenkämpferisch korrekten Geburtstagsabgabe zu nötigen.
Kurzum: Wer Augen und Ohren fest verschlossen hält, dem bietet die „Olive“ durchaus Anreize, auch 1999 ein Jahr älter werden zu wollen. Und die Damen von nebenan haben dann sicher neue Bilder dabei. Franco Zotta
Bistro Olive, Schwachhauser Heerstraße 281
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