Zum letzten Mal: Ein Abschied an die Nachbarn
Sechs Jahre hat Kefah Ali Deeb über ihre alte Heimat Syrien und ihr neues Zuhause Berlin geschrieben. Nun sagt sie Danke und Auf Wiedersehen!
V ier Jahre sind nun vergangen, seit ich die erste Kolumne für die taz geschrieben habe. In den ersten zwei Jahren schrieb ich unter der Rubrik „Zwischen hier und dort“. Dabei erzählte ich den Lesenden von meinem Leben in meiner Heimat Syrien und meinem holprigen Start in mein schwieriges Leben in Berlin. Es fiel mir damals nicht leicht, über diese Dinge zu schreiben. Heute kann ich zufrieden auf die Zeit zurückblicken, in der ich einiges erreicht und Hindernisse überwunden habe. Um mir selbst Mut zu machen, sagte ich mir bisweilen: „Das hast du doch jetzt gut gemacht!“
In den letzten zwei Jahren schrieb ich dann unter der Rubrik: „Nachbarn“. Ich sah die Lesenden als meine treuen Nachbarinnen und Nachbarn. Ich sprach offen, ehrlich und liebevoll über vieles, was mich beschäftigte. Gelegentlich teilte ich mit euch die Freude über meine Erfolge und die Traurigkeit über meine Schmerzen und Misserfolge. Ich weiß, dass ich euch mal zum Lachen brachte und mal traurig machte. Einige von euch zeigten sich mit mir solidarisch, andere begegneten mir eher ablehnend. Manchmal dachte ich, ich sollte besonders traurige Anlässe lieber für mich behalten. Doch dann änderte ich rasch meine Meinung und sagte mir: „Das Leben lächelt uns einmal zu und bringt uns hundertmal zum weinen. Und zwischen dem Lächeln und Weinen liegt ein weites Feld gegensätzlicher Empfindungen.“
Am Ende denke ich, dass ich über viele gegensätzliche Empfindungen geschrieben habe, die mit meiner syrischen Herkunftskultur zu tun haben. Die Nachbarn in Syrien wissen alles übereinander, sie teilen nicht nur Salz und Brot, sondern auch ihre Geheimnisse. Sie stehen sich gegenseitig in Freud und Leid bei.
Heute schreibe ich hier zum letzten Mal, doch ich hoffe mit euch in Kontakt zu bleiben. Jetzt möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen zu danken, die von Anfang an mit dabei waren. Ich danke der Redaktion für diese wunderbare Gelegenheit, dem lieben Rafael Sanchez für die Übersetzung der ersten Texte und dem Freund und Übersetzer Mustafa Al-Slaiman, der nahezu drei Jahre lang meine Kolumnen für die taz ins Deutsche übersetzte. Mein Dank gilt den Lesenden meiner Kolumnen für ihre Kommentare und ihre ermutigenden, lieben Worte.
Ich danke auch all denjenigen, die ihre Kommentare und Kritiken geschickt haben. Ich denke nach wie vor, dass für Differenzen immer Platz ist und dass Andersartigkeit und Meinungsfreiheit Respekt und Anerkennung verdienen, solange sie die Würde des Menschen nicht antasten. Dies sind, und davon bin ich überzeugt, wichtige Grundlagen für eine freie, demokratische und pluralistische Gesellschaft, wie sie in Deutschland besteht.
Aus dem Arabischen übersetzt von Mustafa Al-Slaiman
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett