: Zum Wochenend
Glückliches Berlin! Eine Stadt, in der es nach Auskunft des dortigen Stadtmagazins tip Thomas-Anders-Kopien mit akutem Samenstau gibt, die Ina-Werner-Dubletten mit Fick-Mich-Blick betanzen. Akuter Samenstau und Fick-mich-Blick – ach Gott, wann hat man Derartiges zuletzt in der Hansestadt gesehen?
In unserem kleinen Bundesland finden sich eher großkoalitionäre Regierungskopien mit akuter Durchblickverstopfung, die Musical-Dubletten mit Geld-her-Blick betanzen. Auch das hat durchaus seinen Reiz. Doch reicht der aus, um in Berlin Neidgefühle zu erzeugen? Zweifel sind erlaubt.
Und dann, o schwere, o wirklich schwere, o wirklich unermesslich schwere Hypothek, schleppen wir noch dieses Bremerhaven mit uns herum. Bremerhaven! Bremerhaven!! Eine Stadt – und wir beziehen uns im Folgenden auf die authentischen Zeugnisse leibhaftiger Bremerhavener, wie sie in dieser Woche in der taz zu lesen waren – in der ein an sich harmloser kurzer Spaziergang durch die Innenstadt schon Suizidgedanken sprießen lässt und dreitägige Depressionen zur Folge hat. Eine Stadt, in der die allgegenwärtige Niedergeschlagenheit nur für jene kurzen Momente aus den Gesichtern der gramgebeugten EinwohnerInnen weicht, wenn irgendein komischer Basar Bratwürste und Schnaps offeriert. Fick-mich-Blick? Samenstau? In Bremerhaven??? Vergessen Sie's!
Der alte Dichter Hölderlin, bekennender Gesinnungs-Bremerhavener, schrieb, wohl als er sich in einer Kutsche bis auf 20 Kilometer der deprimierenden Aura der Seestadt genähert hatte: Wo die Bedrohung ist, wächst das Rettende auch. Recht so. Auch die Menschen hierzulande haben ein Recht auf Spaziergänge frei von Selbstmordphantasien, auf Glücksmomente, die nicht dem Schnaps geschuldet sind, kurzum auf so viele Fick-mich-Blicke und akute Samenstaus, wie es im Zeitalter großkoalitionärer Regierungskopien und jekyllhydescher Musicaldoubletten nur möglich ist.
Nun, so fragen Sie Ihre schnuckelige kleine Heimatzeitung völlig zu Recht, wie soll das gehen?
Wir bleiben die Antwort nicht schuldig. BremerInnen sind ein genügsames Völkchen. Drum genügt bereits, in einer kurzen Kolumne wie der vorliegenden viermal Fick-mich-Blick (Nr. 5!) zu schreiben, und schon laufen aufgeregte KollegInnen am Schreibtisch vorbei und fragen neidisch: „Sag mal, du siehst heute so verändert aus – Hast du einen akuten Samenstau?“
Das gelingt Ihnen daheim bestimmt auch – probieren Sie's aus! Und da die neue Rechtschreibung in diesen aufregenden Zeiten eine Freiheit eröffnet, die offenbar grenzenlos ist, lauern Fick-mich-Blick-Variationen auf Sie, von denen selbst die weltweise Dolly Buster noch nie gehört haben dürfte. Viel Vergnügen! taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen