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Zum Tode von Elmar AltvaterDie solare, solidarische Gesellschaft

Elmar Altvater war ein akademischer Lehrer von Format. Am Wochenanfang ist er im Alter von 79 Jahren in Berlin gestorben.

Elmar Altvater, 1996 Foto: Imago/Rolf Zöllner

In den 70er Jahren besaß Elmar Altvater ein Ferienhaus in der südlichen Toskana, das in den Semesterferien einem Bienenhaus glich. Die Besucher kamen mehr oder weniger geplant und fast jeder brachte noch einen mit, den er gerade irgendwo angetroffen hatte. Elmar war nicht nur ein großzügiger Gastgeber, sondern auch ein hervorragender Koch. Die Abende und die ebenso lauen wie langen Nächte mit intensiven Diskussionen bleiben unvergesslich.

1938 geboren, studierte er nach dem Abitur in Kamen in München Ökonomie und Soziologie. Diese Fächerkombination ist für den Leser seiner Bücher ein Glücksfall, denn er hatte, worüber wenige Ökonomen verfügen: einen interessierten und sachkundigen Blick auf die politisch-sozialen Grundlagen der Ökonomie, später kam eine immense Kenntnis der Koppelungen und Konflikte von Ökologie und Ökonomie hinzu.

Seine Dissertation über „Gesellschaftliche Produktion und ökonomische Rationalität: externe Effekte und zentrale Planung im Wirtschaftssystem des Sozialismus“ erschien 1969 in der legendären roten Reihe „Politische Ökonomie. Geschichte und Kritik“ der „Europäischen Verlagsanstalt“ (Frankfurt) und des „Europa Verlags“ (Wien). Die Bände dieser Reihe, in der auch die Bücher von Maurice Dobb, Roman Rosdolsky, Joan Robinson, Otto Morf und Paul Mattick erschienen, gehörten damals zum sozusagen obligatorischen linken Kanon. Altvaters Arbeit war der Theorie von Marx verpflichtet – allerdings nicht in der orthodoxen, parteikommunistisch-spätstalinistischen Dogmatisierung. Altvater war Mitglied im SDS und prägte die Assistentenbewegung mit. Ab Mitte der 70er Jahre gehört er mit Oskar Negt, Andreas Buro, Klaus Vack, Wolf-Dieter Narr und Arno Klönne dem „Sozialistischen Büro“ (SB) an. In den 80er Jahren wechselte er als Gründungsmitglied zur Partei der Grünen, trat aber aus Protest gegen deren Zustimmung zum Krieg zunächst im Kosovo und später in Afghanistan 2001 aus der Partei aus. Von 2007 an engagierte er sich in der Linkspartei, im wissenschaftlichen Beirat von Attac, im Institut Solidarische Moderne sowie beim Weltsozialforum bis zu seinem durch Krankheit erzwungenen Rückzug ins Private.

Seine wissenschaftliche Karriere begann Elmar Altvater nach der Promotion als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Erlangen-Nürnberg. 1971 wechselte er als Professor für „Politische Ökonomie“ an das Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. 1971 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Zeitschrift „PROKLA. Probleme des Klassenkampfs – Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik“, seit 1990 unter dem Titel „PROKLA: Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft“, die thematisch ausgesprochen breit aufgestellt ist und deren Redaktion Altvater bis 2007 angehörte. Er verließ die Redaktion im Streit um die Ausrichtung der Zeitschrift und des OSI, wo die Beschäftigung mit Marx und marxistischen Theorien marginalisiert wurde.

Ökonomie, Ökologie und Dritte Welt

Aus dem Hausblog

An die Zeit bei der taz hat sich Elmar Altvater in dem Text „Die taz der kommenden Jahre“ erinnert, den er im Jahr 2016 für die taz-Genossenschaft geschrieben hat.

Schon 1987 beschäftigte sich Altvater mit den komplexen Zusammenhängen von Ökonomie, Ökologie und Dritter Welt – so im Buch „Sachzwang Weltmarkt. Verschuldungskrise, blockierte Industrialisierung, ökologische Gefährdung – der Fall Brasilien“. Zum sozialwissenschaftlichen Klassiker mit bisher zehn Auflagen wurde das 1996 zusammen mit seiner Lebensgefährtin Birgit Mahnkopf verfasste Buch „Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft“, das im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienen ist. Mit dem Buch „Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen. Eine radikale Kapitalismuskritik“ (2005) wandte sich Altvater vehement gegen Vorstellungen von einem gleichsam automatischen Niedergang und Zusammenbruch des Kapitalismus. Er meinte vielmehr, der Kapitalismus könne nur von „einem äußeren Stoß von extremer Heftigkeit im Verein mit einer glaubwürdigen Alternative“ überwunden werden: durch die Verabschiedung von fossilen Energieträgern in einer „solaren und solidarischen Gesellschaft“.

Elmar Altvater war ein äußerst produktiver Wissenschaftler und Autor, und dazu ein akademischer Lehrer von Format. Seine Schüler widmeten ihm 1998 zum 60. Geburtstag eine Festschrift unter dem Titel „Globalisierung und Perspektiven linker Politik“. Sein Leitgedanke in einem Vortrag von 2014 gilt für sein gesamtes Werk: „Wir müssen nicht nur demonstrieren, wir müssen uns auch bilden im emphatischen Sinne.“ Am Wochenanfang ist Elmar Altvater im Alter von 79 Jahren nach schwerer Krankheit in Berlin gestorben.

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2 Kommentare

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  • "Einen hatten wir" - Ja. Chapeau!

     

    Danke & Gute Reise Elmar Altvater.

  • Altvaters Tod macht mich betroffen. Anfang der Siebziger des letzten Jahrhunderts war er für die Linke jenseits von Stamokap eine wichtige Instanz. Damals auch mit Christel Neusüß. Die PROKLA jener Zeit war quasi Pflichtlektüre für marxistische Theorie und linker wissenschaftlicher Praxis. Wie viele Linke verließ er die Grünen, die sich von der Friedens- zur Kriegspartei entwickelten.

    Danke, Elmar Altvater für Deine kritisch analytischen Beiträge.