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Zum Tode Jakob ArjounisEin Frankfurter Bubb

Nur 48-jährig ist der Autor Jakob Arjouni gestorben. Sein Werk war schon früh die definitive Antwort auf die vermurkste Kohl-Gesellschaft.

Jakob Arjouni, hier im März 2011. Bild: dpa

Lange bevor wir in Deutschland ein neues Staatsbürgerrecht bekamen, spendierte uns Jakob Arjouni, geboren 1964, seinen Privatdetektiv Kemal Kayankaya.

Arjouni war 21 Jahre jung, als er mit „Happy Birthday, Türke!“ im Jahre 1985 sein literarisches Debüt veröffentlichte. Und was für eines! Arjouni karikierte darin mutig seine Heimatstadt Frankfurt am Main, die damals noch kein Amt für Multikultur in der Stadtverwaltung eingerichtet hatte.

Eine typische Arjouni-Szene aus dem Erstling: „Ich (Kayankaya; d. A.) trank mein Bier und überlegte, warum die Alte von Selbstmord gefaselt hatte, bis ich bemerkte, dass mich der Dritte im Jägermeisterverein anglotzte. Er gab seinem Herzen einen Stoß: ’Babbelst en gudes Deutsch. Bisde net vom Balgan?‘ Seine Hand deutete hinter sich, wo der Balkan liegen sollte.

’Ei naa, Bubsche, isch war zwaa Woche uff Maijorga.‘

’Ah, soo.‘ Pause.

’Isses schee dort unne?‘

’Schee isses scho, blos aach gefällisch, wesche de Indianer.‘

’Ah, soo.‘ Er überlegte. „Habbe Se sich da verschdändische könne?‘

’Klar, isch habb gedrommelt‘, antwortete ich ihm, trank das Bier aus und ging, ohne ein weiteres ’Ah, soo‘ abzuwarten, die Straße runter.“

Arjounis „Kayankaya“ war die definitive Antwort auf vermurkste Kohl-Gesellschaft und alte BRD. Er schuf noch vier weitere Kayankaya-Romane, in denen sein von deutschen Adoptiveltern groß gezogener Detektiv das Rhein-Main-Gebiet durchkämmte. Arjounis Fans lagen ihm bei Lesungen kichernd zu Füßen.

Im Herbst erschien mit „Bruder Kemal“ ein Nachzügler, sein letztes Buch. Nach dem Mauerfall schrieb der in Deutschland und Montpellier lebende Schriftsteller vor allem zeitkritische Romane („Magic Hoffmann“, 1996, „Cherryman jagt Mr. White“, 2011) sowie Theaterstücke. Gewalt und Nationalismus blieben die Hauptthemen.

Erst kürzlich war Arjouni mit seiner Frau Miranda und den beiden Kindern dauerhaft nach Berlin gezogen. Die Natur kennt keine Gerechtigkeit. Wie der Diogenes Verlag am Donnerstag mitteilte, erlag Jakob Arjouni 48-jährig in der Nacht zum 17. Januar einem bösartigen Krebsleiden.

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4 Kommentare

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  • I
    Irnberger

    Seine Texte haben mich 25 Jahre lang - ein halbes Leben - begleitet. Und jedes Mal nach dem Schließen des Buchdeckels habe ich sehnsüchtig auf den nächsten Roman gewartet. Er war mein Held.

    Eigenartig: ich habe Jakob Arjouni (bis auf eine Lesung) nicht gekannt, aber: es ist so als ob man einen Freund verliert.

  • ET
    Eddy Torial

    Natürlich kennt die Natur keine Gerechtigkeit. Für derlei Schmoo ist sie sicher sicher auch viel zu gut. Was, wenn ich rhetorisch fragen darf, wäre denn im Sinne des Autoren gerecht - wenn nur Schöpfer von Groschenromanen, BILD-Redakteure, der Tepco Vorstand und pädophile Nazicomiczeichner an Krebs stürben? Wisst ihr, was ich ungerecht finde? Dass man mich in der Schule hat Fontane (trotz seines Standes auch gestorben) lesen lassen, statt einen Arjouni. Auch ungerecht, ich schrieb nie ein Buch und bin so gesund, wie einer nur sein kann. Get over it.

  • HC
    hamid cekmece

    Jakob, ich werd dich und Kemal vermissen!

    aus "Ein Mann, ein Mord"(1991!):

    »Meine Frau und ich. Die erste Plakatserie soll unter dem Motto stehen: ›Deutschland so groß…«, er strahlte mich an, »… daß auch unsere Gäste Platz haben‹.«

    »Und wer hat unterschrieben?«

    »Bisher alle, die ich gefragt habe. Das Motto kommt an. Frau Augstein aus dem vierten, Herr Walser und die jungen Herren Knapp und Kretschmann.«

    Die Gesichter der Genannten tauchten vor mir auf.

    »Eine Alkoholikerin, ein Greis und zwei Bekloppte - tolle Mannschaft. Und was ist mit Familie Benmessous oder Herrn Karagiannidis?« Er wich drei, vier Stufen zurück. »… oder der Familie Metin, die Ihnen mindestens die Hälfte Ihres elenden Gemüses abkauft?! Haben Sie die auch gefragt?!«

    »Ja, aber…« Er ließ weitere Stufen vor sich, ich folgte ihm, und langsam gelangten wir zum Erdgeschoß.

    »… aber anscheinend haben die Ihnen noch nicht das Maul gestopft. Vielleicht, weil sie mit einem so windelweichen Arschloch Mitleid hatten.«

  • S
    Schade

    Sehr Schade,

     

     

    damit verliert Deutschland einen großen aktuellen Autor.