Zum Tod von Daniel Haufler: Der Mann fürs Feine

Er war klug, ohne anzugeben und der beste Leser, den man sich vorstellen kann. Zum Tod des früheren taz-Redakteurs Daniel Haufler.

Portrait

Daniel Haufler, 2008 Foto: taz

JournalistInnen neigen berufsbedingt dazu, sich wichtiger zu nehmen als sie sind. Ihr Metier ist ja die Erregung von Aufmerksamkeit. Dass der eigene Name dauernd in der Zeitung steht, macht die Anfälligkeit für Selbstüberschätzungen nicht kleiner.

Wir kennen keinen Redakteur, dem dieses Spiel so fern war wie Daniel Haufler. Er war belesen und gescheit, hatte ein sicheres Urteil und hohe Anforderungen an Stil und Stimmigkeit von Texten. Niemand sonst konnte das Wort „Tageszeitungsjournalismus“ mit so lässig hingehauchter Geringschätzung aussprechen.

Er war unser Nachfolger als Redakteur der Meinungsseite der taz, neun Jahre lang bis 2008. Wenn Kommentare argumentative Sprünge hatten, sezierte er die mit leiser Stimme und in moderatem, zugewandten Ton, der die schneidende Präzision seiner Argumente freundlicherweise in Watte hüllte. Er verteilte seine Freundlichkeit demokratisch, fast ohne Ansehen von wichtig und unwichtig. Er war sehr gut mit Ulrike Herrmann befreundet, deren Bücher er mit prüfender Sorgsamkeit gegenlas.

Wir haben irgendwann zufällig mitbekommen, dass er mit der intellektuellen Szene der USA hervorragend verdrahtet war. Er kannte viele mit klangvollem Namen persönlich. Fast alle hätten mal nebenbei eine Bemerkung fallen lassen, mit welcher Berühmtheit man so per Du ist. Daniel nicht.

Daniel dirigierte – und erschuf die Melodie

Er war in der taz auch für politische Bücher zuständig. Die taz verdankt ihm die vielleicht spektakulärste Sachbuchrezension ihrer Geschichte. Adam Tooze wies dem Historiker Götz Aly nach, dass der in „Hitlers Volksstaat“ mit fragwürdigen Zahlen gearbeitet hatte. Tooze ist jetzt einer der einflussreichsten Ökonomen und Wirtschaftshistoriker in den USA. Damals kannte ihn in der taz niemand. Nur Daniel.

Daniel hat in der taz eher wenig geschrieben. Er dirigierte lieber andere und erschuf so die Melodie. 2008 wechselte er zur Berliner Zeitung – und belieferte auch die Meinungsseite der Frankfurter Rundschau, mit der es ein Joint Venture gab. Das Personal war knapp. Daniel schrieb dort mehr Kommentare, erst halb aus Not, später mit Genuss. Ab 2017 betreute er beim DGB das Debattenmagazin „Gegenblende“.

Seit 2021 lebte Daniel in Washington. Er war Sozialreferent der Deutschen Botschaft. In der Botschaft schätzte man seinen von administrativer Routine unverdorbenen klaren Blick. Die Botschafterin hat ihn einen Tag vor seinem Tod am Krankenbett besucht.

Im November ist er noch Marathon gelaufen. Dann kam die Krebserkrankung. Freundinnen und Freunde, auch von der taz, waren in den letzten Wochen bei ihm. Er hatte noch Pläne für die Zukunft. Viele Pläne.

Am Montag, den 27. Februar ist er am frühen Nachmittag in Washington gestorben. Seine dezente Klugheit, seine unerschütterliche Freundlichkeit, sein unaufdringlicher Scharfsinn fehlen uns, schon jetzt.

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