Zum Tod von Bernd Eichinger: Populär im deutschen Blick
Bernd Eichinger trug eine Idee von Hollywood nach Deutschland - und traf den Massengeschmack. Mit 61 Jahren verstarb der erfolgreiche Filmproduzent. Ein Nachruf.
BERLIN taz | Am 23. April 2010 erhielt Bernd Eichinger den Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie. Ob er an dem Abend im Berliner Friedrichstadtpalast zum Anzug nonchalant jene Turnschuhe trug, für die er so bekannt war, erinnere ich nicht mehr, wohl aber, dass er den ganzen Abend über neben Angela Merkel saß. Die Laudatio hielten Senta Berger und Günter Rohrbach, die scheidenden Akademiepräsidenten, und die Präsidentin in spe, die Schauspielerin Iris Berben, fand im Namen der Jury warme Worte: "Die Sonne scheint auch heute, da können Sturm und Unwetter, die von Zeit zu Zeit auftreten, nichts dran ändern, auf Bernd Eichinger. Auf seine Lust, auf seine Liebe und auf seine Leidenschaft für das deutsche Kino."
Feierlich war das, aber auch ein wenig merkwürdig, war doch Eichingers Verhältnis zur Filmakademie nicht ungetrübt. Zwar hatte er sich zu Beginn der 2000er Jahre wie kein zweiter deutscher Filmschaffender für ihre Gründung starkgemacht, hatte sich im Kulturausschuss des Deutschen Bundestags ins Zeug gelegt und die damalige Bundeskulturministerin Christina Weiss dazu gebracht, die Preisgelder, die bis 2004 von einer vom Staatsministerium bestellten Jury vergeben wurden, in die Hände der Akademie zu geben.
Dieses beachtliche Engagement hatte freilich nicht zur Folge, dass Eichingers Filmproduktionen bei den Auszeichnungen auf besondere Weise berücksichtigt worden wären. Einzig die Bestsellerverfilmung "Das Parfüm" hatte 2007 das Glück, die entscheidenden Preise zu erhalten, während "Der Untergang" oder "Der Baader Meinhof Komplex" leer ausgingen. Vor allem wirkte der Ehrenpreis deshalb unangemessen, weil er normalerweise an Filmschaffende verliehen wird, die den Höhepunkt ihres Schaffens hinter sich haben. Und das war etwas, was man vom 61 Jahre alten Produzenten und Drehbuchautor Bernd Eichinger im April 2010 nun wirklich nicht sagen konnte.
In der Rückschau stellt sich das ganz anders dar. Ohne dass die Filmakademie es hätte ahnen können, fand sie den richtigen Zeitpunkt für ihre Ehrung. Vollkommen überraschend verstarb Bernd Eichinger am Dienstagabend bei einem Essen mit seiner Familie und Freunden in Los Angeles an einem Herzinfarkt. Der wichtigste und erfolgreichste deutsche Filmproduzent ist tot, der Produzent, der am ehesten eine Idee von Hollywood, von Filmindustrie und Traumfabrik nach Deutschland trug und dem es gelang, den Massengeschmack nicht nur zu treffen, sondern ihn auch zu prägen.
Eichinger kam 1949 in Neuburg an der Donau zur Welt; sein Vater war Arzt, das Milieu, in dem er aufwuchs, konservativ. Im Rückblick sagte er einmal: "Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, schon immer ein Filmbesessener gewesen zu sein". Und: "Mich hat es in jungen Jahren viel mehr interessiert, Musik zu machen, außerdem habe ich viel gemalt, fotografiert und geschrieben. An meinen ersten Kinobesuch kann ich mich nicht mehr genau erinnern."
1970 schrieb er sich im Fach Regie an der Hochschule für Film- und Fernsehen in München ein. Vier Jahre später gründete er seine eigene Produktionsfirma Solaris. Damals arbeitete er mit Regisseuren wie Edgar Reitz, Hans W. Geissendörfer, Hans-Jürgen Syberberg und Alexander Kluge zusammen, war also dem Neuen Deutschen Film durchaus zugeneigt, von dem er sich später abwenden sollte. 1979 wurde er Teilhaber bei Constantin-Film und begann rasch, sich für die Verfilmung populärer Stoffe zu verwenden. Sein erster Streich war "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", ein Film, der auf einem Buch mit den Erinnerungen einer jungen Berliner Heroinabhängigen beruhte. Regie führte Uli Edel, mit dem Eichinger immer wieder zusammenarbeiten sollte. Der Film kostete 6 Millionen D-Mark, spielte 38 Millionen D-Mark ein und dürfte, nicht zuletzt wegen eines spektakulären Auftritts von David Bowie, so manchem Teenager eine Vorstellung von Heroin-Schick vermittelt haben. Das Glück an der Kinokasse ist eine Konstante in Eichingers Biografie - allein "Der Untergang" (2004) etwa spielte 75 Millionen Euro ein.
Zugleich war Eichinger aber auch der umstrittenste deutsche Filmproduzent. Zunächst einmal, weil er in seiner entschiedenen Hinwendung zum Populären dem Autorenkino wenig Luft zum Atmen ließ. Natürlich war er nicht allein dafür verantwortlich, dass das deutsche Kino in den 80er und 90er Jahren an künstlerischer Relevanz verlor, weil es sich in Beziehungskomödien und Goldkanten-Romanverfilmungen erschöpfte. Aber er trug seinen Teil dazu bei. Wandte er sich doch einmal an einen Regisseur, der eine Autorenposition für sich beanspruchte, ging das nicht unbedingt gut aus. Filme wie Oskar Roehlers "Elementarteilchen" oder Tom Tykwers "Das Parfüm", beide aus dem Jahr 2006, legen davon Zeugnis ab. Reste einer persönlicher Handschrift mögen darin erkennbar sein, doch weder Roehler noch Tykwer konnten sich gegen die als massenkompatibel erachtete Kombination aus erzählerischen Gemeinplätzen und fett ausgestellten Schauwerten zur Wehr setzen.
Schließlich war Eichinger auch deshalb umstritten, weil sein Beharren, sich aus einem deutschen Blickwinkel mit deutscher Geschichte zu befassen, nur auf den ersten Blick naiv war. Auf den zweiten Blick verbarg sich dahinter ein Projekt, das revisionistische Züge hatte. Während er an "Der Untergang" arbeitete, sagte er in einem Interview: "Wir machen einen großen epischen Film fürs Kino. Allerdings halten wir uns dabei streng an die Dokumente. An Stenogramme der Lagebesprechungen und an die Aufzeichnungen von Zeitzeugen. Was historisch nicht belegt ist, kommt nicht vor. […] Ich denke, unser Film wird authentischer als alle vorherigen."
Diese Authentizitätsbehauptung diente dazu, eine geballte Ladung Ideologie in den Film hineinzuschmuggeln. Bei einer Tagung, die kürzlich an der Evangelischen Akademie Arnoldshain stattfand, spitzte es der in London lehrende Filmwissenschaftler Daniel Wildmann folgendermaßen zu: "Der Untergang" sei ein Film, der die deutsche Volksgemeinschaft nachträglich wiedererschaffe, "ein Film von Ariern für Arier". Man muss sich diese provokanten Sätze nicht zu eigen machen, um Eichingers Bemühen, deutsche Geschichte im Kino neu zu schreiben, befremdlich zu finden.
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