Zum Tod der Kuratorin Rebeccah Blum: An wen wir uns erinnern wollen
Die Kuratorin Rebeccah Blum wurde mutmaßlich Opfer von Saul Fletcher, einem in Berlin lebenden britischen Fotokünstler.
Ich kann mich gut an den Tag erinnern, an dem ich Rebeccah zum ersten Mal traf. Wir hatten uns im Café Einstein zum Lunch verabredet. Es war ein herzliches Kennenlernen mit humorvoller Verwunderung darüber, wie viel Gemeinsamkeiten wir hatten.
Zunächst nahmen wir wahr, dass wir beide Jeans trugen, halbhohe Stiefel, Bluse und ähnliche Jacken, wir zückten die identischen Portemonnaies und hatten da schon festgestellt, dass wir gleich alt waren, dass wir beide jeweils eine Tochter im gleichen Alter hatten und die gleiche deutsch-amerikanische Verwurzelung. Wir waren erstaunt und lachten und fühlten uns verbunden.
Ende Juli erstach der britische Fotokünstler Saul Fletcher seine Lebensgefährtin, die Kuratorin Rebeccah Blum, und gestand der Tochter die Tötung der Mutter. Anschließend beging er Suizid. In der Presse wurde das Verbrechen wie gewohnt mit dem Euphemismus „Familiendrama“ bedacht. Man erfuhr zwar, dass Brad Pitt ein Freund des Fotografen war, das Opfer dagegen war offenbar keine Erwähnung wert. Dagegen erhebt Kit Schulte mit ihrem Nachruf Einspruch. Und viele Leute aus dem Kunstbetrieb tun es ihr gleich.
Ich hatte meine Galerie geschlossen, wollte ein Drawing Center aufbauen und suchte eine Partnerin. Ein gemeinsamer Kontakt führte mich zu Rebeccah. Aus dem Drawing wurde nichts, aber dafür entstand Satellite Berlin, eine Nonprofit-Plattform mit Fokus auf der Verbindung von Kunst und Wissenschaft, in die wir unser Herzblut steckten.
Rebeccah war unglaublich gut in ihrem Job als Lektorin, Publizistin, Coachin, Netzwerkerin und Kunst- und Kulturvermittlerin. Sie war professionell, präzise und wortgewandt in der englischen und deutschen Sprache. Sie pflegte eine große Leidenschaft für Text, egal ob Dichtung oder Marketing; sie erstellte Inhalte für die unterschiedlichsten Kunden, ob Künstlerinnen, Museumskuratoren oder große Autoherstellern und andere Unternehmen.
Eine aufrichtige Zuhörerin
Die Kunst stand jedoch im Fokus und ihr Hauptanliegen galt immer dem Wohl der Künstler und Künstlerinnen, von denen so viele von ihr mit großem Engagement, Liebenswürdigkeit, Verantwortung und ohne Selbstzweck betreut wurden. Rebeccah ging es darum, den allgemeinen Dialog von Kunst und Kultur in sinnvoller Weise anzufachen und neue Inhalte in Zusammenarbeit mit anderen Bereichen zu entwickeln. Sie war eine aufrichtige Zuhörerin, diplomatisch, verantwortungsvoll und verlässlich, immer voll da.
Rebbecah war eine wundervolle Mutter. Sie liebte die Arbeit mit Kindern, wir sprachen oft über Bildungsprojekte und versuchten Programme für den Nachwuchs in unser Programm zu integrieren. Wir sprachen viel über die unterschiedlichen Kulturen der USA und Deutschlands, was wir liebten und was wir vermissten.
Mein Beileid gilt ihrer Tochter, ihrer Familie in den USA und ihrem engen Freundeskreis in Deutschland. Dieses Geschehen, dieser Mord, um es beim Namen zu nennen, ist unverzeihlich. Saul Fletcher wird das mit sich tragen, als Mensch, Seele, Künstler.
Es geht nicht darum, wer wer ist oder Freund von welchem Prominenten auch immer. Es geht darum, einen Menschen, der aus seinem Leben gerissen worden ist, zu ehren, Rebeccah Blum als die wundervolle Person, die sie war, in liebevoller und aufrichtiger Erinnerung zu verabschieden.
Die Kunstberaterin
Rebbecah wurde in Berkeley, Kalifornien, geboren, wuchs in Philadelphia auf und kam in ihren frühen Zwanzigern nach Düsseldorf und anschließend nach Berlin. Von 2007 bis 2012 leitete Rebeccah Blum die Galerie Scheibler Mitte.
2012 gründete sie ihre Firma Blum Fine Art Management und widmete sich ausgiebig der Unterstützung von Künstler/Innen, Galerien und Sammlern in Form von Projektmanagement, Verwaltung und Beratung. Von 2014 bis 2017 gründete und leitetet sie mit mir Satellite Berlin – art in collaboration, anschließend gründete sie ihr Unternehmen the Wordsmith.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken