Zum Tag der Regenbogenfamilien: „Berlin ist für uns ein guter Ort“
Lesben und Schwule mit Kindern gehören vielerorts zum Alltag. Diskriminierung gebe es aber weiterhin, so Constanze Körner vom Regenbogenfamilienzentrum.
taz: Frau Körner, ist Berlin die Hauptstadt der Regenbogenfamilien?
Constanze Körner: Gefühlt ja. Sehr viele homo- oder transgeschlechtliche Menschen ziehen nach Berlin, weil das Klima hier offener ist, auch für Familiengründungen. Anderswo gibt es auch keine vergleichbaren Netzwerke. Berlin ist für Regenbogenfamilien schon ein besonderer, ein guter Ort.
Das Statistische Bundesamt geht bundesweit von 9.000 Kindern aus, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren groß werden. Gibt es Daten für einzelne Bundesländer?
Nein, leider nicht. Ich denke auch, dass die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu niedrig liegen. Regenbogenfamilien sind ja Familien, in denen sich mindestens ein Elternpaar als schwul, lesbisch, bisexuell, trans* oder queer versteht. Ich kenne viele alleinstehende lesbische Frauen, die sich ihren Kinderwunsch erfüllen, auch wenn sie keine Partnerschaft haben. Sie gehören zu den Regenbogenfamilien dazu, fallen aber aus der Statistik heraus.
Der 1. Mai ist in diesem Jahr nicht nur Arbeiterkampftag, sondern auch der Internationale Tag der Regenbogenfamilien. Bereits am Samstag, den 30. April gibt es von 14 bis 18 Uhr eine Podiumsdiskussion zur Situation von Regenbogenfamilien inklusive Kinderbetreuung und Grillen im Jugendkulturzentrum Pumpe, Lützowstr. 42, Mitte.
2013 eröffnete in Schöneberg das bundesweit erste Regenbogenfamilienzentrum. Dort gibt es Beratungen, Elterntreffs und Krabbelgruppen; Cheruskerstraße 22, Telefon: 91 90 16 28. (all)
Seit drei Jahren leiten Sie das bundesweit einzige Regenbogenfamilienzentrum in Schöneberg. Lesben, Schwule und Transpersonen können bei Ihnen Krabbelgruppen und Elterntreffs besuchen oder sich beraten lassen. Wie viele Menschen kommen zu Ihnen?
Wir haben im vergangenen Jahr 520 Menschen beraten, zu rechtlichen Fragen, zum Thema Kinderwunsch, bei Trennungen. Vor allem die Vernetzungs- und Gruppenangebote sind sehr gefragt. Mehrere Tausend haben im vergangenen Jahr unsere Angebote genutzt.
42, berät seit Jahren Lesben und Schwule mit Kinderwunsch. Seit 2013 leitet sie das Regenbogenfamilienzentrum.
Steigt die Nachfrage mit den Jahren?
Bei den Beratungsgesprächen nicht, da haben wir unsere Kapazitätsgrenze erreicht. Aber man merkt schon, dass immer mehr Familien nachwachsen. Die Geburtsvorbereitungskurse sind gut nachgefragt. Die Krabbelgruppe war im vergangenen Jahr völlig ausgebucht, da hatten wir über 200 Nutzer_innen mehr als im Jahr davor.
Es kommen wahrscheinlich mehr Frauen als Männer …
Auf jeden Fall. Bei den Vernetzungstreffen zum Thema Kinderwunsch sind die Männer auch sehr präsent. Aber wenn die Kinder erst einmal da sind, kümmern sich doch zu 90 Prozent die Frauen. Wir stellen allerdings fest, dass immer mehr schwule Paare Pflegekinder bekommen. Die Stadt ist aktiv dabei, Schwule und Lesben als Pflegeeltern einzusetzen. Das freut uns natürlich.
Am Wochenende wird der Internationale Tag der Regenbogenfamilien begangen, unter dem Motto „Families without borders – Familien ohne Grenzen“. Worauf zielt das ab?
Zu uns kommen immer mehr binationale und internationale Paare. Bei einer Veranstaltung hatten wir kürzlich Menschen aus Italien, Mexiko, Israel, Argentinien, Russland und anderen Ländern da. Die rechtliche Absicherung von Regenbogenfamilien unterschiedlicher Herkunft ist sehr kompliziert.
Zum Beispiel?
Ich habe ein spanisches Paar beraten. Die beiden Frauen haben in Spanien geheiratet und ein Kind gekriegt, sie waren beide in der Geburtsurkunde vermerkt. Jetzt bekommen sie ein zweites Kind in Deutschland, jetzt muss die Lebenspartnerin der leiblichen Mutter das zweite Kind adoptieren, um rechtlich voll anerkannt zu sein. Ich berate auch einige deutsch-polnische Paare. Die polnischen Behörden wollen für eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland jetzt keine Abstammungsurkunden mehr ausgeben, haben sie mir berichtet. Die braucht man aber, wenn man eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen will. So etwas müssen wir mitdenken.
Ziehen gleichgeschlechtliche Paare etwa aus Polen extra nach Berlin, weil das Klima hier entspannter ist?
Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Viel hat sicherlich mit dem freien Leben hier zu tun, viel aber auch mit dem Job, dem Arbeitsmarkt.
Ist es für Regenbogenfamilien inzwischen egal, in welchem Stadtteil sie leben?
Das zu sagen wäre vermessen. Aber viele Menschen werden ja aus der Innenstadt verdrängt. Auch Regenbogenfamilien ziehen vermehrt an den Stadtrand, weil sie sich die Mieten in der Stadt nicht mehr leisten können. Ich selbst wohne zum Beispiel in Köpenick, da leben inzwischen viele Regenbogenfamilien, es gibt eine größere Sichtbarkeit.
Wo erleben Regenbogenfamilien denn noch Diskriminierung?
Es gibt die rechtlichen Nachteile. Und die strukturelle Diskriminierung: In Anmeldeformularen tauchen immer wieder nur „Mutter“ und „Vater“ auf, da ist vieles nur hetero gedacht. Wir machen dazu Fortbildungen, versuchen für die Belange der Regenbogenfamilien zu sensibilisieren. Es gibt Einrichtungen, die eine Willkommenskultur auch für gleichgeschlechtliche Paare entwickeln. Das ist wichtig, denn es schafft ein anderes Zugehörigkeitsgefühl. Wenn Familienzentren oder Kitas gefördert werden, müssen sie sich mit dem Thema Regenbogenfamilien beschäftigen. Ich denke, Berlin ist da auf einem guten Weg.
Wo sehen Sie bei Ihrer Arbeit die größten Baustellen?
Die Kinder aus den Regenbogenfamilien wachsen heran. Auch sie haben ein Coming-out, sie müssen ihre Familie outen in ihrer Peergruppe, an ihrer Schule. Das ist nicht immer einfach. Da sollten wir Angebote machen, um sie zu unterstützen.
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