Zum Kehraus: Verwirrung um Radio Bremen
■ Nach dem Abgang der Kachelmänner und -frauen: Warum im Offenen Kanal oft das RB-Kulturprogramm zu hören ist
Gegen das Drama von, um und mit Radio Bremen ist Shakespeares „Titus Andronicus“das reinste Kinderstück. Von innen, außen und allen Seiten kommen Schüsse, Angriffe und Verletzungen – neuerdings auch vom Offenen Kanal!
Wer sich abends ins Fernsehprogramm des Offenen Kanals zappt, erlebt erstens eine Enttäuschung und zweitens eine Überraschung. Die lustigen Angestellten von Herrn Kachelmann sind hier nicht mehr anzutreffen, seit der stundenweise auf gleicher Frequenz ins Kabelnetz gespeiste Wetterkanal seine Sendungen eingestellt hat.
Das ist richtig schade, weil sie immer so schön zur Seite gestarrt haben (wo ihr Teleprompter stand) und nicht auf die Wetterkarte (auf die sie mit dem Zeigestock gezeigt haben). Statt der Kachelmänner und -frauen heißt es seit einigen Monaten „The cult is back“. „The cult“ist der Hinweis „Sie hören das Radioprogramm des Offenen Kanals Bremen“sowie ein Blick ins Radiostudio – schräg von oben. Und „The cult“daran ist, daß sich zahllose Menschen durch das Studiobild animiert fühlen, sich beim Offenen Kanal zu melden.
Wo sonst die Plaudershow „point“, stundenlange Videomitschnitte von Kulturreisen nach Sankt Petersburg, Bilder von Steinigungen im Iran, Shows mit unentdeckten Schlagerstars oder Talksendungen mit verdienstvollen Akteuren des Bremer Breiten- und Lokalsports zu sehen sind, herrscht nun optisch Ruhe. Meistens legt ein DJ Platten auf, selten wippt er im Takt und noch seltener tummeln sich noch weitere Menschen im Bild von einem Studio. Allein es ist nicht immer Offener Kanal drin, wo Offener Kanal draufsteht.
Wie ein Zuschalten des – meistens auf dem Minderheitenfunk „Radio Bremen 2“arretierten – Radios an den Tag bringt, sind Offener und Kulturkanal manchmal zum Verwechseln ähnlich, wenn nicht gar gleich. Der Jazz und die Moderatorinnenstimme zum Beispiel am Dienstag abend um kurz nach zehn erinnert nicht nur an die beliebte Sendung „Square Music Square“– sie stammen daher.
In Sachen Radio ist dies durch ein Abkommen geregelt. Wenn der Offene Kanal nicht sendet oder ein Beitrag abstürzt, wird – mit Umschaltehinweis – das Programm von Radio Bremen 2 übernommen. Das gilt auch für die Nachrichten der Kulturwelle, deren MitarbeiterInnen andererseits für diese oder jene Blüte des Offenen Kanals verantwortlich gemacht werden.
Doch beim Fernsehbild müßte eigentlich auch optisch auf die Programmurheberschaft hingewiesen werden, finden alle, die darauf hingewiesen werden. Auch die Justitiare des kleinsten ARD-Senders hätten dies bestimmt längst gemerkt, wenn sie denn ab und an beim Radiobild des Offenen Kanals reinschauen würden.
Doch dafür ist es bald zu spät. Denn schon in wenigen Wochen ist „The cult“wieder away. Dann sendet der Offene Kanal zwischen 17 und 21, 0 und 4 sowie 10 und 14 Uhr über seine Kabelfrequenz nur Fernsehen. Zu den übrigen Zeiten geht „Onyx“auf Sendung.
Trotzdem besteht bei Radio Bremen nicht der geringste Anlaß zur Beruhigung. Denn der Offene Kanal Radio ist da stark, wo auch der Hauptkonkurrent Radio Bremens, NDR 1, stark ist: Die Schlagersendungen des aus Rundfunkgebühren finanzierten Gemischtwarenladens auf der Bremer UKW-Frequenz 92,5 Mhz schalten ungezählte Menschen ein. Bis zu 200 wöchentliche Zuschriften pro Sendung lassen KennerInnen auf ein Vielfaches an HörerInnen schließen. Wenn das kein Angriff und kein Drama ist.
Christoph Köster
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