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Zukunft des SEZDer Traum vom „SEZ Komplett“

Lässt sich das ehemalige Sport- und Erholungszentrum SEZ doch noch retten? Auf jeden Fall, befanden seine Fans bei einem Treffen im Café Sibylle.

Ein „Spaßbad“ war das SEZ laut seinen Fans nie. Seit der Schließung ist es jedenfalls definitiv vorbei mit Spaß Foto: Steve Braun
Darius Ossami

Aus Berlin

Darius Ossami

Rund 80 meist ältere Menschen drängten sich am Freitagabend auf Einladung der Bürgerinitiative „SEZ für alle!“ in das traditionsreiche Café Sibylle an der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain. Auf der Schaufensterscheibe prangte das Motto der Veranstaltung: „SEZ retten“. Die meisten Interessierten dürften als Kind oder junge Erwachsene selbst im einstigen „Sport- und Erholungszentrum“ an der Landsberger Allee geplanscht oder Sport getrieben haben.

Im Verlauf der zweieinhalbstündigen Podiumsdiskussion holte die umtriebige Moderatorin Danuta Schmidt nacheinander ganze zehn geladene Gäste auf die Bühne. Kontroversen waren eher nicht zu erwarten, und tatsächlich blieben sie aus: Alle waren sich mit dem Publikum einig, dass das SEZ erhalten bleiben muss.

So überraschte es auch kaum, dass der ebenfalls geladene Bausenator Christian Gaebler (SPD) und der ihm unterstellte Landeskonservator Christoph Rauhut der Veranstaltung fernblieben. An den Wänden hingen bunte Fotos vom SEZ, Aktive trugen „SEZ für alle!“-Anstecker und sammelten Unterschriften für ihre Petition „Das SEZ sanieren und als Sport- und Freizeitfläche für alle wiedereröffnen“, die bereits über 13.000 Menschen unterschrieben haben.

„Das SEZ war immer ein Mega-Highlight“, setzte Susanne Lorenz von der BI gleich zu Beginn den Ton. Das Zentrum sei Teil einer sozialen Infrastruktur, über dessen Zukunft alle gemeinsam entscheiden sollten, doch der Senat habe von Anfang an versucht, das Gebäude loszuwerden.

Vergleichbar mit dem Palast der Republik

Das 1981 eröffnete Sport- und Erholungszentrum zog die Massen an und war weit mehr als ein Spaßbad: Neben Eislaufen und Wellenbaden gab es auch zahlreiche Sportveranstaltungen, Unterhaltungsshows, Theater und Konzerte. Viermal im Jahr fand das Event „SEZ Komplett“ mit bis zu 15.000 Be­su­che­r*in­nen statt. Die gesellschaftliche Bedeutung des SEZ in der DDR war der des abgerissenen Palasts der Republik durchaus vergleichbar.

Nach der Wende sanken die Besucherzahlen. Der nun zuständige Berliner Senat stellte notwendige Sanierungsmaßnahmen zurück, die Sportstätten und Veranstaltungen wurden nach und nach eingestellt. 2002 wurde das SEZ geschlossen und ein Jahr später für einen Euro an einen Investor verkauft. Als dieser der Auflage nicht nachkam, den Bäderbetrieb und weitere Teilbereiche wiederzueröffnen, und stattdessen plante, den Komplex abzureißen, wurde er per Gericht zur Rückgabe gezwungen. Seit Oktober 2024 ist das SEZ wieder in der Landeshand.

Dennoch sieht es für eine Wiedereröffnung nicht gut aus: Auch der Senat hat schon 2016 per Bebauungsplan festgelegt, den Komplex abzureißen und stattdessen ein Stadtquartier mit über 500 Wohnungen bauen zu lassen. Für die Umsetzung ist die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM verantwortlich, die im Sommer einen städtebaulichen Wettbewerb durchführte. Aus diesem ging ein Entwurf als Sieger hervor, der den Komplettabriss des SEZ vorsieht.

Im September hat das Landesdenkmalamt zudem nach nur zweimonatiger Prüfung einen Denkmalschutzstatus für das SEZ abgelehnt. Damit ist für Bausenator Gaebler der Weg zur Bebauung des Geländes frei. Nach Informationen des Tagesspiegel hat die WBM inzwischen den Strom abgestellt, sodass wegen abgestellter Pumpen der Keller voll Wasser läuft. Eine Machbarkeitsstudie der WBM zur Umsetzung des siegreichen Entwurfs soll im Dezember vorgestellt werden.

„Mein zweites Zuhause“

Das alles beeindruckte die Teil­neh­me­r*in­nen der Veranstaltung im Café Sibylle wenig. Die zahlreichen Wortbeiträge bewegten sich zwischen nostalgischen Erinnerungen und Kampfgeist. „Das SEZ war mein zweites Zuhause“, sagte Karl-Heinz Wendorff, SPU (Schallplattenunterhalter) und Moderator von „Medizin nach Noten“, einer beliebten Sportveranstaltung im SEZ.

Das SEZ sei kein Spaßbad gewesen, betonte Gesine Lötzsch (Linke). Der Schutz der kulturellen Substanz stehe im Einheitsvertrag, so die Politikerin, der Abriss sei politisch gewollt. „Man will Olympia und schließt das SEZ“, kritisierte sie, dabei ginge es doch darum, was eine Stadt ihren Bür­ge­r*in­nen biete. „Das SEZ ist eine soziale Infrastruktur mitten in der Stadt“, sekundierte Karl von der Initiative Gemeingut. Es sei ein verbindendes Element und könne mehrere Bezirke mit Sport und Erholung versorgen: „Das Geld für das SEZ ist da!“ Applaus.

Die Entscheidung, das SEZ wie auch den Palast der Republik nicht unter Denkmalschutz zu stellen, sei ungerecht gewesen, befand Theresa Keilhacker, ehemalige Präsidentin der Architektenkammer Berlin. „Alle Fachleute, die da drauf schauen, sind der Meinung, dass das SEZ erhalten bleiben sollte“, so die Expertin. Die Initiative habe viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht, lobte sie, und dürfe nicht nachlassen: „Wir kämpfen weiter.“

Die mögliche Variante eines Teilerhalts mit Wohnungsbau wurde zwar erwähnt, aber nicht weiter diskutiert. Die meisten wünschten sich eine Wiedereröffnung des guten, alten SEZ. Unerwähnt blieb dabei, dass es nach der Wiedervereinigung an Anziehungskraft verloren hatte und dass ein Besuch unter kapitalistischen Verwertungsgesichtspunkten für viele schlicht nicht mehr bezahlbar wäre.

Vorschläge, wie das SEZ zu retten sei, gab es dennoch reichlich: Die Initiative Gemeingut plant einen sechsten Runden Tisch im Januar, bei dem sie sich angesichts des nahenden Wahlkampfs ein Statement von allen demokratischen Parteien erhofft. Bereits am 5. Dezember beteiligt sich das Bündnis am „lebendigen Adventskalender“ mit einer Kundgebung vor dem SEZ.

Zudem gibt es die Möglichkeit, die Petition zu unterschreiben und Postkarten an Senator Gaebler und Konservator Rauhut zu schreiben. „Es geht um Optimismus, positive Energie und Engagement für eine Sache“, fasste Moderatorin Schmidt zusammen. Immerhin das wurde an diesem Abend erreicht.

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