: Zu tödlichen Risiken fragen Sie Ihren Amtsarzt
■ Mögliche Selbstmordgefährdung eines Iraners soll im Herkunftsland geprüft werden
Manchmal plant Abbas Joshaghanian, seinen beiden Schwestern Geld zu schicken, sie von Hamburg aus zu unterstützen, wie er es im Iran auch getan hat. Die Frauen leben jedoch nicht mehr; sie wurden hingerichtet. Joshaghanians psychischer Zustand verschlechtere sich kontinuierlich, sagt Anne Harms von der kirchlichen Hilfsstelle flucht.punkt, die den Iraner seit eineinhalb Jahren betreut. „Gegen eine begleitete Rückführung des Betroffenen bestehen aus nervenärztlicher Sicht keine Bedenken“, teilt indes das Gesundheitsamt der Ausländerbehörde mit.
Der Asylantrag des 45jährigen wurde in allen Instanzen abgelehnt. „Keine politische Verfolgung“ bescheinigt das „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ Iranern, die die Volksmudjahedin unterstützt haben, wie in Joshaghanians Fall: Seine Schwestern waren politisch aktiv, er hat sie nach der Verhaftung ihrer Ehemänner versteckt und ernährt, bis sie selbst verhaftet wurden. Nun fürchtet auch er, bei einer Rückkehr getötet zu werden. Auch er wurde gefoltert, ist seit Jahren in psychiatrischer Behandlung. Und droht, sich das Leben zu nehmen, falls er abgeschoben werden sollte.
Suizidalität – die Neigung, Selbstmord zu begehen – kann ausländerrechtlich als Duldungsgrund gelten. Der untersuchende Amtsarzt erklärt jedoch, daß es ihm unmöglich sei festzustellen, ob bei dem Betroffenen eine psychische Erkrankung tatsächlich vorliegt oder nur vorgetäuscht wird. Ausschließen kann er sie nicht. Vielmehr empfiehlt er, daß Joshaghanian „bei seiner Ankunft in Teheran einer psychiatrischen Klinik zugeführt wird zur Feststellung möglicher Suizidalität“. Der muttersprachliche Therapeut des Iraners hält hingegen eine längerfristige Behandlung für dringend erforderlich. Eine erfolgreiche Behandlung an dem Ort, von dem das Trauma ausgegangen war, sei dabei ausgeschlossen – eine solche Idee Ausdruck mangelnder Sachkenntnis.
Auf die Sachkenntnis von Fachleuten aber sei die Ausländerbehörde angewiesen, erklärt Behördensprecher Norbert Smekal. Die ärztliche Prüfung solle sich aber nicht nur auf Reisefähigkeit, sondern auch auf die Behandlungsbedürftigkeit des Betroffenen erstrecken. Dies sei ein „sehr schwieriger Fall“; die Behörde sei an die Entscheidung des Bundesamts, das „keine politische Verfolgung“ annimmt, gebunden. Ob die vom Arzt empfohlende Rückführung und die Behandlung in einer Teheraner Klinik überhaupt möglich sind, werde nun geprüft. Bis zur endgültigen Klärung werde es keine Abschiebung geben, sagte Smekal.
Stefanie Winter
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