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Zu kurze Distanz für den Marathondenker

Schach Weltmeister Magnus Carlsen enttäuscht in Baden-Baden, der Armenier Lewon Aronjan gewinnt

Carlsen wird eine gewisse Stagnation und zu technisches Schach attestiert

BADEN-BADEN taz | „Es gibt talentiertere Spieler als Magnus Carlsen.“ Unter der Woche hatte der Russe Alexander Morosewitsch eine steile These aufgestellt – und gleich danach in Baden-Baden reichlich Wasser auf seine Mühlen bekommen. Der Schachweltmeister war bereits eine Runde vor dem letzten Zug aus dem Kreis der Sieganwärter bei den Grenke Chess Classic ausgeschieden. Weil sein wenig aufregendes Spiel wenig Gesprächsstoff bot, unterhielten sich die Fans daher mehr über seine wilde Haartolle nach dessen Thermen-Besuch. Auch am Samstag gelang es „Struwwelmagnus“ nicht, zu überzeugen. Gegen die Nummer fünf der Weltrangliste, den Franzosen Maxime Vachier-Lagrave, reichte es ebenfalls nicht für einen Sieg.

Dagegen ließ Lewon Aronjan trotz seines vorzeitig feststehenden Triumphs nicht locker und nahm mit Schwarz auch den Weltranglistendritten Fabiano Caruana unter Beschuss. Weil er „leider den Sieg versemmelte“ ging der Armenier mit „nur“ 1,5 Punkten Vorsprung über die Ziellinie. Das sind dennoch Welten beim königlichen Spiel. Die favorisierten Caruana und Carlsen (beide 4:3) folgten abgeschlagen auf den Plätzen.

Während Aronjan nach zwei Auftaktremisen vier Siege in Serie feierte, gelang dem Weltmeister aus Norwegen nur einer. Eine gewisse „Stagnation“ und zu „technisches Schach“ witterte der ukrainische Exweltmeister Ruslan Ponomarjow. Als kreativer Kopf der Denkerszene assistierte Morosewitsch und sieht bei Carlsen vor allem nur Vorteile als stabiler sportlicher Kämpfer, der die Gegner nach sechs Stunden ermattet. Entsprechend klagte dieser, dass „sieben Runden zu wenig sind“. Sein Endergebnis sei zwar „kein Desaster – aber bei der kurzen Distanz konnte ich es mir nicht leisten, Punkte wie mit dem Remis gegen Aronjan zu verschenken“.

Der einstige Weltranglistenzweite blühte nach der geistreichen Rettung gegen Carlsen auf. Aronjan, der kurzzeitig für den Deutschen Schachbund gemeldet war, ist ein empfindsamer Künstler. Ein bisschen Seilhüpfen im Hotel als Körperertüchtigung reicht den armenischen Nationalhelden im Gegensatz zum Norweger. Der 34-Jährige war mit seinen farbenprächtigen Hemden in Baden-Baden offenbar in bester Stimmung. Denn er sagt: „Wenn man glücklich ist, spielt man gut.“ Aronjan ist in diesen Momenten dann so gut, dass er fest an den WM-Titel und Siege über Carlsen glaubt. „An dem Tag, an dem ich nicht mehr das Gefühl habe, der beste Spieler sein zu können, trete ich sofort zurück“, hatte er noch beim letzten Turnier in Baden-Baden nach seinem enttäuschenden Mittelfeldplatz verkündet.

Diese nahmen heuer die unter den Männern überzeugende chinesische Weltranglistenerste Hou Yifan, der inzwischen für Aserbaidschan spielende ehemalige deutsche Topspieler Arkadij Naiditsch und Vachier-Lagrave (je 3,5:3,5) ein. Am Ende des Feldes fanden sich Georg Meier und Matthias Blübaum. Die Studenten und Nationalspieler hielten phasenweise mit, lagen am Ende jedoch mit zwei Zählern doch abgeschlagen hinten. „So unfassbar besser sind die Topleute auch nicht. Carlsen hat am Schluss gegen mich nicht sonderlich stark gespielt“, hat der 20-jährige Blübaum bei seinem ersten Topturnier durch das Remis gegen den Weltmeister an Selbstbewusstsein gewonnen.

Hartmut Metz

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