Zu früh gegrillt: Tausende Tiere sterben im Feuer
Die Tierrechtsorganisation Peta bemängelt Brandschutz in Ställen und zeigt Landwirte an, bei denen es gebrannt hat.
Wenn es in einem Stall brennt, können die Tiere darin nicht fliehen. Sie verbrennen oder ersticken qualvoll, wenn die Feuerwehr nicht rechtzeitig vor Ort ist, um den Brand zu löschen. In der Nähe der niedersächsischen Gemeinde Großenkneten hat es gerade in einer Hähnchenmastanlage gebrannt. Rund 3.000 Tiere sind dabei gestorben. Die übrigen rund 29.000 Hähnchen konnten sich im hinteren Bereich des Stalles drängen, während über ihnen das Dach brannte. Die Tierrechtsorganisation Peta hat nun eine Anzeige gegen den Landwirt wegen grober Fahrlässigkeit gestellt.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg konnte den Eingang der Anzeige noch nicht bestätigen. Die Polizei geht bisher von einem technischen Defekt aus. Trotzdem sieht Edmund Haferbeck von Peta die Verantwortung für den Brand bei dem Besitzer des Stalls. „Solche Betriebe sind im Falle eines Brandes gar nicht in der Lage, die vielen Individuen in Sicherheit zu bringen“, sagt Haferbeck. Er kritisiert grundsätzliche Mängel im Brandschutz von Tierhaltungsbetrieben.
Die Tierrechtsorganisation wertet Medienberichte über Brände in Ställen aus. Die Tierschützer zählten 2017 bisher in ganz Deutschland 17 Brände, bei denen Hunderte Schweine, Ferkel, Kälber oder Hühner gestorben sind. In vier Fällen davon haben die Tierschützer Anzeige erstattet – seit 2014 in insgesamt 90 Fällen. Die Ermittlungen wurden allesamt eingestellt. Offizielle Zahlen für die Brände in Stallungen hat das Land Niedersachsen nicht.
„In den meisten Ställen gibt es gar keinen Brandschutz“, kritisiert Haferbeck. Es seien in der Vergangenheit oft leicht brennbare Materialien verbaut worden. „Das Bewusstsein ist erst in den letzten Jahren gewachsen.“
In Niedersachsen regelt die Bauordnung den Brandschutz. Dort heißt es, dass bauliche Anlagen so errichtet sein müssen, „dass der Entstehung eines Brandes sowie der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind“.
Es ist zudem beispielsweise vorgeschrieben, dass die Ausgänge in einem Stall nicht mehr als 35 Meter entfernt sein dürfen, damit es die Tiere ins Freie schaffen können. Zudem müssen die Landwirte feuerhemmende Brandwände errichten lassen, wenn ein Wohngebäude dahinter liegt oder bei tragenden Wänden feuerbeständiges Material benutzen. Trotzdem liegen die Anforderungen an den Brandschutz unter denen für Wohngebäude.
Die Kommunen können als Bauaufsichtsbehörden selbst strengere Regeln vorgeben. So hat die Region Hannover 2010 einen Regelkatalog für den Brandschutz in großen Tierhaltungsanlagen erstellt. Darin sind die Löschwasserzufuhr, Feuerwehrzufahrten, die Feuerresistenz von Materialien oder der Einsatz von Feuermeldern so detailliert geregelt, dass sogar Peta-Sprecher Haferbeck das Papier als „vorbildlich“ bezeichnet.
Edmund Haferbeck von der Tierrechtsorganisation Peta
Das Problem: Angewandt wurde der Katalog seit 2010 noch nicht. Denn die Regelungen gelten erst ab einer bestimmten Stallgröße und ein solcher Stall wurde seither in den acht Kommunen, für die die Region als Bauaufsicht zuständig ist, nicht gebaut. Zudem sei es eher „ein selbst formulierter Ansatz“, sagt Christina Kreutz von der Region Hannover. Die Landwirte würden zwar zu den Punkten beraten, „der Standard aber nicht eins zu eins umgesetzt“, sagt Kreutz.
Einiges habe sich als nicht praktikabel herausgestellt. So würden Masttiere, die ihr Leben im Stall verbracht haben, während eines Brandes trotz offener Stalltüren nicht nach draußen laufen. Es liege aber ein höheres Augenmerk auf dem Thema Brandschutz, sagt Kreutz.
Peta sieht das Problem vor allem in den Ställen, die nach alten Standards gebaut wurden. „Der größte Teil sind Altbestände“, sagt Haferbeck und kritisiert die Sorglosigkeit einiger Bauern. Heimliche Filmaufnahmen, die Aktivisten gemacht haben, zeigten etwa, wie stromführende Drähte nah über der Einstreu hingen. „Das fällt auf brennbares Material“, sagt Haferbeck. Der Brandschutz wird von den Bauaufsichtsbehörden beim Bau des Stalles geprüft. Später gibt es keine systematische Überwachung mehr.
Das Landvolk Niedersachsen betont, dass „die Ställe im Einklang mit dem geltenden Recht“ gebaut würden. Sie müssten deshalb auch dem Recht entsprechen, sagt Verbandssprecher Sebastian Kuhlmann. „Für uns ist der Brandschutz momentan kein Thema.“
Für den Brand in Großenkneten hat die Polizei bisher keine Hinweise darauf, dass es Mängel beim Brandschutz gegeben hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite