Zu Mathias Bröckers' 65. Geburtstag : Der streitbare Visionär
Er hat gegründet und erfunden, was das Zeug hält: Mathias Bröckers ist Blogwart, digitaler Berater, Sachbuchautor, tazler früher Stunde, Katholik und vor allem auch: ein geschätzter Kollege.
von Nicola Schwarzmaier und Jan Feddersen
Mathias Bröckers hat nicht nur die taz gegründet, er hat auch das Internet erfunden, taz.de erschaffen, den klug entwickelten Fake zur medialen Kunstform erhoben und damit faktisch der taz-Wahrheitsseite auf die Welt geholfen. Er ist viel beschäftigter Blogger und weiß, wer hinter 9/11 steckt und wer John F. Kennedy wirklich ermordet hat.
Zeitweise hat er in der taz das Kulturressort verantwortet und dafür sogar die Edelfedern der deutschsprachigen Literaturszene von Jelinek über Müller bis Enzensberger für eine taz-Ausgabe mit ins Haus geholt. Er hatte eine Kolumne und war hochaktiver taz-Autor. Irgendwann wurde er selbst der immer streitfreudigen taz-Redaktion zu radikal, seine Verschwörungstheorien vielen zu krude. Er ist der taz dennoch treu geblieben. Gründete die taz Blogs und wurde zum – dieser Name ist bei manchen umstritten, von ihm aber geliebt – Blogwart. Außerdem ist er „digitaler Berater“ und sitzt in der jüngsten Abteilung der taz, der digitalen Transformation.
Wenn es drauf ankommt, dann ackert er für die taz. 2018 hat er innerhalb weniger Monate gemeinsam mit taz-Redakteur Stefan Reinecke das riesige Jubiläumsbuch zum 40. taz-Geburtstag herausgegeben – und ohne Murren seine Nächte und Wochenenden geopfert.
Händchen fürs Visionäre
Dafür gibt es immer wieder Phasen, in denen er sich mit großem Engagement eigenen Projekten widmet. Jüngst etwa einem kleinen Büchlein, in welchem er für die Freilassung von Julian Assange plädiert. Überhaupt, die Bücher: Als Autor und Herausgeber zeichnet Mathias Bröckers für ungefähr 71 Sachbücher verantwortlich (so ganz genau lässt sich das nicht ermitteln, Anm. d. Redaktion). Einige dieser Werke sind reichlich streitbar, andere längst zu Klassikern avanciert. So auch ein dicker gelber Band mit dem schlichten Titel „Hanf“ (inzwischen in der 43. Auflage).
Zur Pflanze mit der berauschenden Wirkung pflegt Bröckers nicht nur eine innige konsumistische Verbindung. Wie kaum ein Zweiter setzte er sich bereits in den 1990ern mit dem wirtschaftlichen und ökologischen Potenzial der Nutzpflanze Hanf auseinander. Nicht wenige in diesem Metier bezeichnen ihn deshalb heute als „Hanfpapst“.
Mathias Bröckers hat ein Händchen fürs Visionäre, selbst als nun 65-Jähriger. Er weiß, was im Internet gerade Phase ist, wo die technische Entwicklung hingeht, und hat immer wieder Ideen, wie die Zukunft auch der taz aussehen kann. Wenn niemand sie hören will, hält er seinen Mund. Und sagt hinterher, wenn er doch recht hatte, nur leise: Hab ich schon vor fünf Jahren gewusst!
Für den Meinungsstreit
Uneitel ist er nicht. Zu neuen Bekanntschaften sagt er gern: Google mich mal, damit du weißt, mit wem du es zu tun hast! Gleichzeitig ist er frei von jedem Dünkel, zumindest, was Statussymbole betrifft. Als sein Jaguar einst auf der Autobahn in Rauch aufging, stand er begeistert davor und bestaunte den Qualm.
„Bröcki“ ist katholisch und betont das manchmal auch. Er hat Albert Hoffmann (Entdecker des LSD) persönlich kennengelernt und war schwer beeindruckt, dass dieser auch im höchsten Alter keine Brille trug. Und jetzt kommt es: Mathias Bröckers benötigt auch keine Brille. Wie viel er allerdings noch hört, bleibt sein Geheimnis.
Eins darf nicht unerwähnt bleiben: Kollege Bröckers kann andere Meinungen und Auffassungen nicht nur aushalten, sondern auch wertschätzen. Bedingungslose Zustimmung langweilt ihn geradezu. Gern sagt er: Für den Meinungsstreit wurde die taz gegründet.
Wir gratulieren ihm von Herzen zu seinem 65. Geburtstag!