Zu Fuß diagonal über die Kreuzung: Ein bisschen Tokio in Hamburg
Die SPD will in Hamburg-Eimsbüttel eine Diagonal-Kreuzung schaffen und Fußgänger:innen damit das Leben erleichtern.
Prominent ist die Shibuya-Kreuzung in der Metropole Tokio, mittlerweile gleichermaßen Touristen-Attraktion wie Straßenüberquerungshilfe. Mehrere Tausend Menschen überqueren dort die Kreuzung horizontal, vertikal und diagonal – pro Grünphase. In Japan ist das Konzept am stärksten verbreitet. Hier finden sich heute mehr als 300 Kreuzungen dieser Art.
Die Vorteile einer solchen Kreuzung liegen auf der Hand. Müssen bei konventionellen Kreuzungen zwei Straßen überquert werden, um die diagonal gegenüberliegende Seite zu erreichen, sind für Fußgänger:innen bei einer Diagonalquerung alle Seiten in nur einer Grünphase erreichbar.
Und weil zu keinem Zeitpunkt Autos und Fußgänger:innen gleichzeitig grün bekommen, sinkt das Risiko von Abbiegeunfällen im japanischen Kreuzungsdesign erheblich. Auch der motorisierte Verkehr läuft ohne kreuzenden Fußverkehr flüssiger. Einzig und allein die Wartezeit erhöht sich durch drei anstelle von zwei Ampelphasen für alle Parteien ein wenig.
Prädestiniert ist das Konzept damit vor allem für Kreuzungen mit einem hohen Fußgänger:innenaufkommen, beispielsweise an belebten Straßen oder Umstiegsknoten öffentlicher Verkehrsmittel. Doch trotz der Vorteile und vergleichsweise geringen Kosten finden sich bislang nur vereinzelt Diagonalqueren in Deutschland wie etwa in Berlin an der Ecke Friedrichstraße/Kochstraße, gleich neben dem ehemaligen taz-Gebäude.
In Hamburg gibt es bislang hingegen keine Kreuzung dieser Art. Das möchte die SPD-Fraktion Eimsbüttel mit ihrem Antrag in der Bezirksversammlung nun ändern. Als Schauplatz haben sich die Sozialdemokrat:innen die Kreuzung Osterstraße/Heußweg ausgesucht.
Neben verschiedenen Geschäften des Einzelhandels finden sich an allen vier Ecken der Kreuzung auch Ein- und Ausgänge zur Station Osterstraße der U-Bahn Linie 2. Die Kreuzung einfach durch die U-Bahn-Station zu unterlaufen, ist allerdings nicht möglich, da anders als bei den meisten Hamburger U-Bahn-Stationen in der Osterstraße kein Zwischenbahnsteig mit Zugang zu beiden Gleisen, sondern Außenbahnsteige mit jeweils nur einem Gleis vorhanden sind.
So wird trotz allseits vorhandener Zugänge für das Erreichen der U-Bahn oft eine Überquerung der Fahrbahn notwendig. Wer nicht ortskundig ist, landet an der Osterstraße zudem häufig am falschen Bahnsteig und muss folglich ebenfalls die Straße queren.
„Es geht uns nicht darum, ein neues Wahrzeichen zu schaffen, sondern ganz konkret die Situation für Fußgängerinnen und Fußgänger im Zentrum Eimsbüttels zu verbessern“, sagt Koorosh Armi, der verkehrspolitische Sprecher der SPD Fraktion Eimsbüttel. „Konflikte werden entschärft, die Sicherheit wird erhöht.“
Bezirksversammlung muss zustimmen
Die Kreuzung habe man sich unter anderem wegen der Situation mit der U-Bahn-Station ausgesucht, aber auch andere Faktoren wie die Fahrbahnbreite und die Verkehrsführung würden zum diagonalen Konzept passen, findet Gabor Gottlieb, der Fraktionsvorsitzende der SPD-Eimsbüttel.
„Die Osterstraße als Einkaufs- und Flanierstraße wird schon seit einigen Jahren fußgängerfreundlicher gestaltet, die verbesserte Überquerung der Kreuzung passt da ins Konzept und erhöht zudem die Aufenthaltsqualität am angrenzenden Fanny-Mendelssohn-Platz“, erläutert Gottlieb.
Nächstes Jahr könnte die Umgestaltung dann Form annehmen – vorausgesetzt, die SPD kann in der Eimsbütteler Bezirksversammlung eine Mehrheit für den Vorschlag gewinnen. Größere bauliche Maßnahmen seien für die Umgestaltung nicht notwendig. Mit einer polizeilichen Anordnung müssten nur Ampelanlagen ausgebaut, Fahrbahnmarkierungen angepasst und die Ampelschaltung umgestellt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist