Zora Klipp über die Arbeit von Köchen: „Viele Köche koksen“

Die Köchin Zora Klipp kochte für die NDR-Webserie „Klie­manns­land“. Aber Ihre Sendung „Koch ma!“ hatte zu wenig Klicks. Nun gibt sie Kochkurse.

Von der Kochshow zum Kochkurs: Zora Klipp macht live in Rüspel weiter Foto: Miguel Ferraz

taz: Frau Klipp, Sie haben über ein Jahr lang die Kochshow im „Kliemannsland“ moderiert. Wie kam es dazu?

Zora Klipp: Fynn Kliemann und ich sind im selben Kaff aufgewachsen und zusammen zur Schule gegangen. Er hat das Kliemannsland vor zwei Jahren gegründet und angefangen, dort mit „Funk“ Videos zu drehen. Irgendwann kam er auf die Idee, auch ein Restaurant zu eröffnen. Er wusste, dass ich Köchin bin und hat mich mit der Idee für eine Kochshow angerufen. Da war ich gerade für mein Auslandssemester in Spanien. Ich war noch ein halbes Jahr in Chile, während im Kliemannsland andere Projekte liefen – und dann ging „Koch ma!“ los.

Was genau ist denn „Funk“?

Vor ein paar Jahren haben die öffentlichen-rechtlichen Sender gemerkt, dass sie kaum noch junge Zuschauer haben. Welche Inhalte fehlen? Wie erreicht man junge Menschen? „Funk“ ist das Konzept, dass bei ARD und ZDF herauskam: cooler Content mit einem Bildungsauftrag, bei Youtube ausgestrahlt.

Wie hat „Koch ma!“ da reingepasst?

Es war keine normale Kochshow. Wir haben den ganzen Weg der Lebensmittel gezeigt, und es hat verdammt viel Spaß gemacht. Das besondere waren die Außendrehs: Wir waren Spargelstechen oder auf dem Gänsehof, sind morgens um fünf zum Angeln aufgestanden oder haben auf einem Büffelhof Mozarella selbst gemacht. Es war immer etwas los: Auf einmal kommt Clueso rein oder Marteria und Casper stehen vor der Tür.

Wie war es für Sie, vor der Kamera zu kochen?

Total komisch, vor allem der erste Dreh. Ich kam mir total albern vor, und war bis zum letzten Dreh immer nervös.

Wieso ist „Koch ma!“ jetzt vorbei?

„Das Kliemannsland“ ist eine Webserie des NDR-Formats „Funk“. Seit April 2016 heimwerkern und gärtnern Fynn Kliemann und sein Team auf einem alten Hof bei Rüspel in Nordniedersachsen und laden Videos auf Youtube hoch.

Die Sendung war eine sehr aufwendige Produktion und hat dafür, in den Augen von „Funk“, nicht genug Reichweite erlangt. Mit den vorgeschlagenen Konzeptveränderungen konnte ich mich nicht so richtig identifizieren. Es hat großen Bock gemacht mit „Funk“, das Team war supercool und ich verstehe mich mit allen gut. Aber manchmal ist es auch einfach gut aufzuhören, wenn’s am Schönsten ist.

Das Kliemannsland ist in den sozialen Medien sehr aktiv, selbst die kurzen Instagram-Storys sind geschnitten. Nervt das nicht?

Die Resonanz auf durchdachte Posts ist einfach höher. Und durch mehr Interaktionen online erreicht man mehr Menschen – so funktioniert Instagram. Mir macht es inzwischen auch Spaß, da mehr Gedanken reinzustecken und eine Geschichte zu erzählen.

Und ständig Neues posten zu müssen?

Manchmal nervt das schon. Letzte Woche hat meine Mutter mir gesagt, sie würde mich bei Instagram vermissen. Wenn ich drei Wochen lang nichts mehr gepostet habe, überlege ich, was ich teilen könnte. Irgendwie muss man das auch regelmäßig machen, sonst verliert man die Abonnenten. Aber ich möchte das nicht aus Zwang machen: Ich poste, wenn ich etwas erlebe – ob lustig, traurig oder einfach spannend. Wir lassen uns so von Instagram und Co. belabern. Wen interessiert das überhaupt, was ich den ganzen Tag mache oder wo ich was esse?

Wann haben Sie angefangen zu kochen?

Ich hatte schon früh eine kleine Spielküche, mit sechs oder sieben, glaube ich. Mit meinen Freundinnen habe ich Kaffeeklatsch gespielt, mit richtigen Pfannkuchen und Grießbrei. Meine Eltern haben auch immer gerne und gut gekocht und sich gefreut, wenn so ein aufgedrehtes Kind wie ich ruhig gekocht hat. Meine zwei Wochen Praktikum in der Realschule habe ich dann bei einem Hotel in Zeven gemacht. Als die mir einen Ausbildungsplatz angeboten haben, wollte ich das machen. Kochen fand ich gut, und spannender als Schule.

Wie war der Alltag in der Küche?

Im Hotel war es strukturierter und ruhiger als in anderen Restaurants. Trotzdem hatten wir Zwölf-Stunden-Tage von zehn bis Mitternacht. Zwischendurch Kaffeetrinken und dann arbeiten, arbeiten, arbeiten. Und natürlich keine klassische Fünf-Tage-Woche – am Wochenende gehen eben alle am liebsten essen. Auch die Stimmung war hart: Im Sternerestaurant wurde es schon mal richtig persönlich, wenn ich etwas versaut habe. Im Hotel gab es nur Ärger, wenn ich wirklich Mist gebaut hatte – verständlich, wenn draußen 60 Leute auf ihr Essen warten. Auch die Ausbildung war teilweise richtig anstrengend – aber an anderen Tagen durften wir Azubis uns einfach ausprobieren.

Kochen gilt als Frauensache, aber die bekannten Köche sind fast alle Männer. Wie sieht es in Restaurants aus?

Stimmt, es gibt nur wenige bekannte Köchinnen: Léa Linster, Sarah Wiener … Und als ich vor zehn Jahren die Ausbildung begonnen habe, war ich die einzige Frau unter sieben Männern. Später kam noch ein Mädchen dazu, aber es war eindeutig ein Männergebiet.

Woran kann das liegen?

Es ist wirklich sehr hart: Einen 20-Liter-Topf voll mit Fleisch und Knochen musst du erst mal tragen können. Die Arbeitszeiten sind auch krass: Ich stand zwölf, 14, manchmal 19 Stunden in der Küche. Berufe, die körperlich so anstrengend sind, sind traditionell mit Männern besetzt. Mit Kindern ist der Beruf auch schwer vereinbar: Teilzeit oder Homeoffice kann ein Koch nicht machen. Aber als ich letztens wieder in der Küche war, wo ich meine Ausbildung gemacht habe, liefen da fast nur Mädels herum. Ich habe länger nicht mehr richtig in der Gastronomie gearbeitet, aber ich habe das Gefühl, dass sich da etwas verändert.

Wie hält man so einen Alltag aus?

Man muss den Beruf einfach sehr lieben. In Küchen wird viel getrunken – zumindest war es zu meiner Zeit so. Und viele Köche koksen – genau wie in anderen Berufen mit solchen Arbeitszeiten. Mir war das irgendwann zu stressig: kein Wochenende, kein Silvester, kein Weihnachten. Ich hatte Lust, meinen Kopf wieder anzustrengen, habe mein Abitur nachgeholt und begonnen, International Tourism Management zu studieren.

Achten Sie privat darauf, wo das Essen herkommt?

Auf jeden Fall, und inzwischen geht günstig, lecker und qualitativ hochwertig auch total einfach. Wenn ich für eine Party koche, muss ich nicht den Pizzakäse kaufen oder Chili con Carne machen und das billige Hack da reinknallen. Dann mache ich lieber etwas anderes, von dem ich weiß, wo es herkommt. Ich esse auch Fleisch, aber ich habe selten welches im Kühlschrank.

Geht gute Küche auch ohne?

Ich habe in Chile sechs Monate lang vegetarisch gelebt, und das ging total gut. Ich glaube, auf Mehl zu verzichten, würde mir schwerer fallen. Aber ich mag Fleisch, ganz einfach. Das ist eine ewige Diskussion, die ich unter etlichen Videos geführt habe. Für das Spanferkel haben wir krasse Kritik bekommen. Nach dem Motto: „Was hältst du davon, wenn ich deinem Baby einen Stab durchs Maul stecke und es über’n Grill drehe?“ Irgendwann habe ich aufgehört, mich einzumischen, und die Zuschauer diskutieren lassen. Ich stehe dazu: Wenn ich darauf achte, wo es herkommt, kann ich das Fleischessen auch gut mit meinem Gewissen vereinbaren.

Sie waren auch einmal auf dem Schlachthof. Können sie töten?

Darf ich gar nicht. Dafür gibt es den Beruf des Schlachters und den Beruf des Jägers. Als ich für „Koch ma!“ ein Reh zerlegt habe, meinten viele, ich solle mich nicht so anstellen. Nur weil ich eine Rehkeule zubereiten kann, heißt das nicht, dass ich einem Tier den Kopf absäge. Zu Hause habe ich mit meiner Mutter einmal Hasen geschlachtet – das war nicht schön. Aber man sollte seine Augen nicht davor verschließen: Ich habe mich viel mit dem Thema auseinandergesetzt, deswegen ist es okay. Und lieber weiß ich, wo es herkommt, als diese grauen, vollgepumpten Hähnchenbrüste in Plastikverpackung zu essen.

Sie sind schon viel gereist – nach Südamerika oder Südostasien. Und jetzt bleiben Sie in Rüspel?

So sehr ich das Kliemannsland liebe, irgendwann muss man da raus. Das erste Jahr von „Koch ma!“ habe ich in der Nähe, bei meinen Eltern zu Hause gewohnt. Aber weil da einfach nichts los ist, bin ich so oder so immer nach Hamburg oder Bremen gefahren. Jetzt bin ich nach Hamburg gezogen, weil hier mehr Menschen und Jobs sind, und ich gut nach Rüspel pendeln kann.

Aber Sie sind weiterhin Teil vom Kliemannsland?

Definitiv, da zu arbeiten, macht so Spaß. Ich gebe jetzt Kochkurse – das wird ziemlich geil. Der Jäger, der uns zur Sendung das Reh mitgebracht hat, besorgt auch für den Kurs eins, das wir zerlegen und zubereiten. Ich hoffe es ist jemand dabei, der eigentlich noch nie ein totes Tier gesehen hat, aber viel Fleisch isst. Ich verurteile das nicht – ich will nur, dass Leute sich bewusst sind, was sie da machen, wenn sie jeden Tag ihr Salamibrot essen.

Sprechen Sie das in den Kursen an?

Wir arbeiten für die Kurse mit Leuten zusammen, die auch in der Show vorgekommen sind: Für „Omas alte Klassiker“ machen wir das Galloway-Rind von „Ein-Stück-Land“, einem Galloway-Hof im Norden. Ich hoffe, dass die Teilnehmer viele Fragen stellen: „Ich wohne da, wo gibt’s das?“ – ich versuche dann, Tipps zu geben.

Sind die Kurse alle mit Fleisch?

Nein, ich mache auch vegetarische Kurse. Im Sommer ernten wir im Garten Gemüse und kochen dann damit.

Ist das ein langfristiges Projekt?

Im Kliemannsland passiert total viel: Wir haben jetzt einen Saal, in dem wir Hochzeiten und Geburtstage veranstalten wollen, die ich mit der neuen Gastroküche richtig bekochen kann. Und ich miete mich ein und mache da meine Kurse – ganz ohne Kamera und Fernsehen. Die ersten drei waren schnell ausgebucht – mit der langen Warteliste kann ich das noch eine Weile machen.

Reicht nicht ein Thermomix?

Ich bin der größte Fan vom Thermomix, und so einer steht in jeder Sterneküche! Risotto oder Lasagne muss man damit nicht machen. Aber Mayonnaise geht damit richtig gut. Das wissen viele nicht und denken, Mayonnaise könnte man nicht selber machen. Meine Kurse sollen aber auch einfach Spaß machen: Ich bin selber total verpeilt, mir fallen Sachen runter oder ich vergesse etwas. Ich habe keine großen Sterneküchenerfahrungen, sondern einfach ein bisschen mehr Background-Wissen.

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