Zoo-Palast in Berlin: Ganz großes Kino
Der Zoo-Palast zeigt ab nächster Woche wieder Filme. Sein Betreiber setzt auf Retro-Schick, tolle Technik und viel Service.
Kann man verblichene Legenden wiederbeleben? Auf der Kinoleinwand ist das kein Problem: Schlimmstenfalls wird die Story so zurechtgebogen, bis der Held wieder topfit seinem gerechten Job nachgehen kann. Aber klappt die Reanimation auch vor der Leinwand? Der Zoo-Palast, eines der größten und bedeutendsten Kinos der Stadt, ist seit den späten 90ern einen langsamen Tod gestorben. Kommende Woche wird er wiedereröffnet: renoviert, technisch auf dem neuesten Stand – aber gefühlsmäßig soll alles so sein wie in der guten alten Zeit. „Die Seele des Hauses erhalten“, nennt das Betreiber Hans-Joachim Flebbe, als er am Donnerstag sein neues Kino schon mal der Presse vorführt.
Die gute Zeit, das sind in diesem Fall die in leichtem Beige und hartem Rot gehaltenen späten 50er und die 60er Jahre. Berlin entwindet sich langsam den Trümmern des Zweiten Weltkriegs, die internationalen Filmfestspiele bringen Promis in die Stadt, und die zeigen sich besonders gern im Zoo-Palast. Das 1957 von Gerhard Fritsche gebaute Haus wird zum Mittelpunkt der Berlinale. Nur zwei Säle gibt es, einen großen mit Panoramadecke und mehr als 1.000 Plätzen oben, einen kleineren darunter. Entlang des Ku’damms spielen in den nächsten Jahrzehnten noch eine ganze Reihe weiterer Lichtspielhäuser ihr Programm. Doch keines ist von außen und innen so großartig wie der Zoo-Palast. Ältere Cineasten schwärmen bis heute, wie sie dort etwa Stanley Kubriks Science-Fiction-Knaller „2001“ erleben durften.
Als in den 90ern die Multiplexe den Markt erobern, Kinokästen mit Kaufhausarchitektur, zahlen den Preis dafür Häuser mit weniger Auswahl: Viele müssen aufgeben. Der Zoo-Palast wird Ende 2010 geschlossen.
Das Lichtspielhaus mit zwei Sälen eröffnet am 28. Mai 1957 mit dem Film "Zürcher Verlobung" mit Lilo Pulver. Es ist mit seiner leicht nach außen gewölbten, gelb gekachelten Fassade eines der bekanntesten Berliner Gebäude aus den 1950er Jahren.
Zuvor stand an gleicher Stelle der 1919 eingeweihte UFA-Palast, das wichtigste Premierenkino in Deutschland. Hier wurden etwa "Metropolis", "M" und "Faust" uraufgeführt. 1943 wurde es bei Bombenangriffen schwer beschädigt und später abgerissen.
Der Zoo-Palast war jahrzehntelang die wichtigste Spielstätte der Berliner Filmfestspiele, bis diese 1999 ihren Schwerpunkt an den Potsdamer Platz mit seinen Multiplex-Kinos verlegten.
Nach der Galafeier am kommenden Mittwoch startet ab Donnerstag das reguläre Programm in den sieben Sälen. Die Eintrittspreise liegen zwischen 6,50 Euro (für Kinder bis 14 Jahren) und 13 Euro. Im großen Saal gibt es neben zwei Digitalprojektoren außerdem einen 35-mm- und einen 70-mm-Projektor.
Am vergangenen Wochenende feierte das Ostberliner Pendant - das Kino International - sein 50-jähriges Bestehen. (taz)
Ab Mittwoch hebt sich in dem unter Denkmalschutz stehenden Saal 1 nun wieder der Vorhang – und schon dabei zeigt sich, wie Betreiber Flebbe Zuschauer locken will: Der Kinobesuch soll auch eine Zeitreise sein. Gleich drei Vorhänge hat Flebbe einbauen lassen, dazu gibt es als besondere Spielerei einen Wasservorhang: Es regnet von der Decke. „Einzigartig in Europa“ sei das. Mit Kino hat das wenig zu tun, eher fühlt es sich nach Friedrichstadtpalast an. Auch so eine Legende, die nicht sterben will.
Doch die Kulisse des Zoo-Palasts ist prächtig, der 5,5 Millionen Euro teure Umbau gelungen: Im großen Saal mit über 800 Plätzen nimmt man Platz in den 1950er Jahren, zum Glück auf bequemen Sesseln. Hinter Wand und Decke versteckt ist ein aufwändiges Soundsystem mit 90 Boxen. Die anderen sechs Säle sind entweder ebenso stil- und denkmalgerecht saniert oder gekonnt auf alt getrimmt.
Doch das allein reicht nicht, um sich von der Konkurrenz auf dem umkämpften Berliner Kinomarkt abzuheben. Hans-Joachim Flebbe, der bereits aus dem nahen Astor ein Wohlfühlkino gehobener Klasse gemacht hat, setzt auch im Zoo-Palast auf Service. Rund 100 Mitarbeiter würden dort beschäftigt, einschließlich Doorman und Platzanweisern. Es gibt VIP-Eingänge für bewirtete Logen, aber keine Nachos mit Käsesoße. Flebbe spricht von einem Premiumkino, in dem „alle Sachen fehlen, die Sie im Kino genauso nerven wie mich“.
Also hoffentlich auch all jene jungen Menschen, die nur Eintritt zahlen, um ungestört Popcorn zu essen. Stattdessen glaubt Flebbe daran, dass es genug Leute mittleren Alters gibt, die „das Kino für sich wiederentdecken“. Und Familien, die „gehobene Unterhaltungsfilme“ schätzen.
Doch selbst das dürfte kaum reichen, um den Zoo-Palast langfristig lebendig zu halten. Dessen Eigentümerin, der Bayerischen Hausbau, gehört auch das benachbarte Bikini-Haus. Es wird nächstes Jahr ebenfalls nach langer Sanierung unter dem angehippten Namen Bikini Berlin wiedereröffnet und will reichlich Gastronomie sowie „ein neues Shoppingerlebnis“ bieten. Damit soll der Breitscheidplatz wie überhaupt die City West wieder zu dem werden, was sie vor dem Mauerfall einmal war: ein legendäres Zentrum des Berliner Nachtlebens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking