Zoff um EU-Investitionsprogramm: Päckchen statt Paket
Mit 300 Milliarden Euro will EU-Kommissionschef Juncker die Wirtschaft ankurbeln. Doch das Investitionsprogramm könnte schrumpfen – auf ein Fünfzehntel.
BRÜSSEL taz | In der neuen EU-Kommission ist ein Machtkampf um die Wirtschaftspolitik entbrannt. Dabei geht es nicht mehr nur um die von Brüssel verfochtene Austeritätspolitik. Umstritten ist auch das geplante 300 Milliarden Euro teure Investitionsprogramm, mit dem Kommissionschef Jean-Claude Juncker das Wachstum ankurbeln will.
Wie der Streit die Politik blockiert, wurde am Montag deutlich: Weil sich der deutsche Kommissar Günther Oettinger und sein französischer Amtskollege Pierre Moscovici nicht einigen konnten, wurde die Stellungnahme zum französischen Budgetentwurf für 2015 um vier Tage verschoben. Es geht darum, ob Frankreich mehr sparen muss, um die EU-Vorgaben zu erfüllen.
Gleichzeitig kündigte eine Sprecherin des Kommissionschefs intensive Debatten über das weitere Vorgehen an. Am Mittwoch will Juncker seinen Investitionsplan vorlegen. Nach ersten durchgesickerten Details bleibt er weit hinter den Erwartungen zurück: Offenbar will Juncker gar kein neues Geld einsammeln, sondern nur bereits bestehende EU-Töpfe anzapfen. Zudem sieht sein Fonds mit dem blumigen Titel „Invest in Europe“ nicht etwa wie angekündigt 300 Milliarden Euro vor, sondern wohl nur 20 Milliarden. Den Rest sollen private Investoren hinlegen, die durch großzügige Garantien angelockt werden.
„Mit einer Verlustgarantie wird aus jedem Land in Europa ein Land mit bestem Kreditrating“, so die Brüsseler Behörde. Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann aber warnt: „Das Investitionspaket muss kräftig ausgestattet sein. Eine schlichte Umetikettierung laufender Projekte darf es nicht geben.“
Oettinger in Rage
Mahnende Worte kommen auch aus Paris, wo man auf einen ordentlichen Juncker-Plan hofft, um die schwächelnde französische Wirtschaft zu beleben und das staatliche Budgetdefizit zurückzufahren. Eigentlich sollte das Defizit 2015 wieder unter die im Stabilitätspakt erlaubte Schwelle von 3 Prozent fallen. Doch angesichts des schwachen Wachstums hat Paris die Erfüllung der EU-Vorgaben um zwei Jahre auf 2017 verschoben.
Das bringt Oettinger und die Bundesregierung in Rage. Der Kommissar forderte in der französischen Wirtschaftszeitung Les Échos, den „Wiederholungstäter“ Frankreich „mit Härte“ zu behandeln. Dafür ist offenbar auch der finnische Kommissions-Vizepräsident Jyrki Katainen.
Doch Wirtschaftskommissar Moscovici, ein Franzose, ist dagegen. Nun blockieren sich die Kommissare gegenseitig. Juncker muss wohl sein erstes Machtwort sprechen. Bei seinem Amtsantritt hatte der Luxemburger eine Abkehr vom Austeritätskurs sowie mehr Wachstum und Investitionen gefordert. Nun sitzt er in der Zwickmühle.
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