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Illustration: Manuel Fazzini

Zivilgesellschaft unter Druck Erschöpfte Ehrenamtliche: Zerrieben zwischen Gewalt und Politik?

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Live-Folge vom taz lab: Ex­per­t*in­nen Sarah Schröder und Andreas Rosen diskutieren über den wachsenden Druck auf die Zivilgesellschaft in Ost und West.

Ein volles Haus, gespannte Gesichter und ein aufgeregter Moderator: „Mauerecho – Ost trifft West“ sendete live vom taz lab am 26. April. Der Host Dennis Chiponda hat Sarah Schröder von Perspektive Ost und Andreas Rosen, Co-Geschäftsführer der Nord-Süd-Brücke, zu Gast. Im Fokus: die Zivilgesellschaft in Deutschland, ihre Herausforderungen und die Frage, wie sie in Zeiten wachsenden Drucks bestehen kann.

Lichtblicke, die zeigen: Engagement lohnt sich, und es gibt sie noch, die kleinen Erfolge. Schröder erwähnt den Demokratieladen in Kahla, südlich von Jena. Dort gibt es auch seit 2018 das queer Festival „Kahla Courage“, das sich mit verschiedenen Formen der Diskriminierung auseinandersetzt. „Wenn ihr mal in Kahla seid, dann gestattet denen doch mal einen Besuch ab, weil das ist natürlich gerade unter den aktuellen politischen Zuständen eine total krasse Errungenschaft, in jetzigen Zeiten einen neuen Raum für sich zu erschließen und den zu bespielen“, sagte Schröder.

Bundesweit existieren etwa 657.000 zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Engagementquote liegt im Osten bei 37 Prozent, im Westen bei 40,4 Prozent. Doch der Blick auf die Finanzen offenbart ein eklatantes Ungleichgewicht: Nur 7,3 Prozent der Stiftungen haben ihren Sitz in Ostdeutschland, Unternehmen spenden dort im Schnitt 9.000 Euro, im Westen 16.000 Euro. „Wir brauchen irgendwie Kohle, die staatliche Finanzierung wird immer dünner“, konstatiert Schröder und spitzt zu: „Wo wird denn jetzt geerbt in den nächsten zehn Jahren?“

Rosen betonte die Notwendigkeit, dass der Staat seine Pflicht zur Finanzierung zivilgesellschaftlicher Strukturen wahrnimmt, gerade in Zeiten, in denen alternative Finanzierungsmodelle oft schwer zugänglich sind. „Wir sollten den Staat aus seiner Verantwortung der Finanzierung der Zivilgesellschaft nicht entlassen.“

AfD-Verbotsverfahren als „Verschnaufpause“

Wie aber sind die beiden Gäste überhaupt zum Engagement gekommen? Schröder schilderte eindrücklich, wie sie in einer von rechter Hegemonie geprägten Umgebung in Grimma aufwuchs: „Ich konnte die Lage entweder ignorieren oder etwas dagegen tun.“ Sie engagierte sich dann in der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, um Gleichgesinnte zu finden und gegen die Normalisierung von Hass und Ausgrenzung anzukämpfen.

Im weiteren Verlauf der Diskussion geht es um die konkreten Herausforderungen, mit denen zivilgesellschaftliche Organisationen konfrontiert sind: Finanzierungsunsicherheit, zunehmende Bürokratie, Angriffe von rechts. Im Hinblick auf ein mögliches AfD-Verbot mahnt Rosen jedoch zur Besonnenheit. Schröder sieht ein AfD-Verbotsverfahren, so es denn greift, als eine „Verschnaufpause“, betonte aber gleichzeitig, dass „nur“ durch ein AfD-Verbot das Problem nicht gelöst wäre. Vielmehr müsse man die tieferliegenden Ursachen für den Erfolg der AfD angehen und eine starke, widerstandsfähige Zivilgesellschaft fördern. Immer wieder betonten die Gäste die Notwendigkeit einer stärkeren Vernetzung, einer besseren Ausstattung und eines klaren Bekenntnisses zur Zivilgesellschaft vonseiten der Politik – gerade auch der CDU.

Am Ende steht die Frage: Wie sieht die Utopie einer starken, widerstandsfähigen Zivilgesellschaft aus? Schröder und Rosen plädieren für mehr Solidarität, mehr Wertschätzung und mehr Mut, sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft einzusetzen – gegen alle Widerstände.

„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der taz Panter Stiftung. Er erscheint jede Woche Sonntag auf taz.de/mauerecho sowie überall, wo es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt Ann Toma-Toader von der Redaktion sowie unserem Tonmeister Daniel Fromm.

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