Zielgruppe verfehlt: Zweiter Mercado in St. Pauli
In der Rinderhalle in der Feldstraße soll ein Markt mit Leuten aus dem Viertel entstehen. Doch manchen ist schon die Miete zu hoch.
Anna Meier* ist enttäuscht. „Das können wir uns nicht leisten“, sagt die 37-Jährige aus dem Karoviertel, die einen kleinen Stand in der seit 2010 leer stehenden Rindermarkthalle eröffnen wollte. Gemeinsam mit ihrem Mann wollte sie Couscous-Gerichte verkaufen. Doch nach ersten Gesprächen mit Maßmann & Co., die für den Hauptmieter Edeka die Standflächen vermieten, verpuffte der Traum: „Das Thema war ganz schnell wieder vom Tisch, als klar wurde, was das alles kosten soll“, erzählt Meier.
Für einen festen Marktstand müssen Bewerber zwischen 30 und 50 Euro je Quadratmeter Ladenfläche zahlen. Die Miete hängt von der Branche sowie vom Umsatz ab. Je besser der Laden läuft, desto höher die Miete. Hinzu kommen Einmalzahlungen.
Das Dach über dem Stand kostet 5.000 Euro. Die Werbepauschale kostet 2.000 bis 4.000 Euro. Und für den Ladenausbau fallen nochmal mindestens 1.000 Euro pro Quadratmeter an. Für Existenzgründer bedeutet das eine Investition von mindestens 27.000 Euro.
Das gilt jedoch nur für den Basisausbau und die kleinste Ladenfläche. Die Mindestgröße liegt bei 20 Quadratmetern. „Uns hätten auch zehn Quadratmeter gereicht“, sagt Meier. Ein größerer Marktstand mit einer Ladenfläche von 60 Quadratmetern kostet mindestens 67.000 Euro.
Viel Frisches, viel Bio und eine hohe Vielfalt will Torsten Hönisch von Maßmann & Co in der ehemaligen Rindermarkthalle sehen. „Wir möchten eine ursprüngliche Markthalle, so ähnlich wie im Mercado“ sagt er und bezieht sich damit auf das 1995 eröffnete Einkaufszentrum in Ottensen. Dort gibt es auch Marktstände. Ein Kioskbetreiber gibt an, für seinen 20 Quadratmeter großen Kiosk dort etwa 3.000 Euro Miete im Monat zu zahlen.
Das ist ein Vielfaches der Miete in der Rindermarkthalle, doch in St.Pauli liegen andere Verhältnisse vor. Das sagt auch Herwig Holst, der seit 40 Jahren einen Edeka in St. Pauli betreibt: „Die Kundschaft hat einfach unterschiedlich viel Geld.“
Die Stände in dem neuen Einkaufszentrum an der Feldstraße sollen an Ortsansässige vergeben werden. So soll der Bezug zum Stadtteil und den Anwohnern gesichert werden, da es in der Vergangenheit viel Kritik am Vergabeverfahren von Maßmann & Co. gab.
„Unser Areal“ und „Keimzelle“ sind zwei von vielen Initiativen mit dem Ziel, ein größeres Mitspracherecht bei der Vergabe der freien Flächen zu bekommen. Maßmann & Co.stellten daraufhin rund 850 der 14.200 Quadratmeter für stadtteilbezogene Projekte zur Verfügung.
In einem Ausschuss bestimmen derzeit unter anderem Anwohnervertreter, wer die Flächen bekommt. Die Initiativen haben sich allerdings aus dem Vergabeverfahren zurückgezogen: „Das Verfahren hat nichts mit Beteiligung zu tun“, sagte Harald Lemke von der Initiative „Keimzelle“ damals.
Benjamin Hartmann von Maßmann & Co. sieht für Anwärter kein Problem: „Bei Existenzgründungen kann ein Kredit aufgenommen werden“, sagt er. Außerdem verweist er auf „staatliche Zuschüsse“. Für die Immobiliengesellschaft ist zumindest klar, dass die Stände nicht an große Unternehmens-Ketten vergeben werden. „Für einen Kleinunternehmer mit einem bereits gut laufenden Geschäft wäre ein Stand eine gute Möglichkeit“, findet Hartmann.
Das Vergabeverfahren für die Marktstände läuft. Die Verträge werden gerade aufgesetzt. Wer letztlich das nötige Kleingeld für einen Stand hat, wird man spätestens 2014 sehen. Im Frühjahr nächsten Jahres öffnet die Rindermarkthalle wieder ihre Türen. Dann können sich die Anwohner bei Edeka, Aldi, Budnikowsky und mit den frischen, ökologischen Angeboten der Marktstände versorgen. Nur nicht mit Couscous von Anna Meier.
*Name von der Redaktion geändert
In der ursprünglichen Textfassung zitierten wir Torsten Hönisch mit den Worten: "Wir möchten einen etwas hochwertigeren Mercado". Da wir ein Missverständnis nicht ausschließen können haben wir die Textstelle nach seinen Wünschen geändert. Die Redaktion
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