Zentrale Einbürgerungsbehörde für Berlin: Schon jetzt völlig überlastet
Die Idee von Rot-Grün-Rot, Einbürgerungen zu erleichtern, ist an sich gut. Der Haken an der Sache: das Landeseinwanderungsamt. Ein Wochenkommentar.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) vor dem Landeseinwanderungsamt in Berlin Foto: dpa
Keine Frage: Die Einbürgerung von dauerhaft in Berlin lebenden Ausländern ist im Interesse nicht nur der Eingebürgerten (die dadurch mehr Rechte bekommen), sondern auch der Gesellschaft (die dadurch Menschen an sich bindet, neue Wähler*innen und Staatsbürger*innen bekommt). Unzweifelhaft ist auch: In Berlin läuft bei dem Thema vieles schief.
Es fängt damit an, dass der Prozess in den zwölf Bezirken verschieden gehandhabt wird und entsprechend unterschiedlich dauert: Wer in Mitte lebt, kann Glück haben und schon vier Monate nach der Antragstellung den deutschen Pass in Händen halten, in Pankow dauert es bis zu 2 Jahre. Mancherorts gibt es seit einiger Zeit gar keine Termine beim Einbürgerungsamt (meist mit der Corona-Entschuldigung); gleichzeitig verlangen manche Ämter eine persönliche Vorsprache, nur um die Antragsformulare abzuholen – was völlig unnötig ist und vermutlich sogar rechtswidrig.
Manche legen die Kriterien zur Einbürgerung auch falsch aus, behaupten etwa, wer Hartz IV bekommt, kann nicht eingebürgert werden – obwohl in den Richtlinien etwas anderes steht (nämlich: Einbürgerung mit Hartz IV ist möglich für diejenigen, die „den Bezug von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nicht selbst zu vertreten“ haben, etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung).
Die bisherige Bilanz: Das Einbürgern wird den Menschen in der Hauptstadt unnötig schwer gemacht, es ist ein langwieriger Prozess voller Hinder- und Ärgernisse, den sich manche*r deswegen lieber gleich erspart. Kein Wunder also, dass Berlin im bundesweiten Vergleich der Einbürgerungsquoten fast Schlusslicht ist; nur das Saarland ist noch schlechter.
Vorbild Hamburg
Das Potential des Themas hatte die Berliner SPD schon im Wahlkampf erkannt und sich für eine Reform stark gemacht. Nach dem Vorbild Hamburg brachte man die Idee eines zentralen Einbürgerungsamtes ins Spiel, was dort offenbar zu einer bemerkenswerten Erhöhung der Zahlen in den letzten Jahren geführt hat.
So kam die zentrale Einbürgerungsbehörde in den Koalitionsvertrag, vergangene Woche hat der Senat das Projekt nun auf den Weg gebracht. Die neue Behörde soll dem Landeseinwanderungsamt (LEA), der früheren Ausländerbehörde, angegliedert werden und würde damit der Innenverwaltung unterstehen.
Thematisch ist das durchaus sinnvoll: Das LEA ist ja ohnehin die Kontaktstelle für viele Ausländer, stellt Aufenthaltstitel aus und kennt die potenziellen Einbürgerungskandidaten. Es könnte daher sogar proaktiv auf die Menschen zugehen und sie ermuntern, sich einbürgern zu lassen.
Andererseits ist die Behörde schon mit ihren jetztigen Aufgaben völlig überlastet. Vor allem das Terminmanagement ist eine Katastrophe, wie Berater*innen von Geflüchteten seit Jahren immer wieder berichten. Oft bekomme man Wochen oder gar Monate keinen Termin um dringend benötigte Papiere zu erhalten oder zu verlängern: Arbeitsplatzangebote, für die man eine Arbeitserlaubnis brauchte, seien dann wieder weg; Aufenthaltstitel inzwischen abgelaufen.
Kein Termin in 8 Wochen
Ein Selbsttest der Autorin beim online-Terminportal des LEA brachte diese Woche das gleiche Ergebnis: Als frühestes Datum, um einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zu verlängern, wurde der 14. Juli angeboten. Gleichzeitig hatte das System vorher dazu geraten, den Termin 6-8 Wochen vor Auslaufen der Aufenthalterlaubnis zu vereinbaren. Dumm nur, dass in dieser Frist kein Termin zu bekommen ist!
Die Erwartung, beim LEA würden Einbürgerungen besser funktionieren, ist unter den aktuellen Bedingungen also völlig illusorisch. Das Amt müsste erstmal so ausgestattet werden, dass es seine bisherigen Aufgaben erledigen kann. Dann kann man ihm neue geben.
Zentrale Einbürgerungsbehörde für Berlin: Schon jetzt völlig überlastet
Die Idee von Rot-Grün-Rot, Einbürgerungen zu erleichtern, ist an sich gut. Der Haken an der Sache: das Landeseinwanderungsamt. Ein Wochenkommentar.
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) vor dem Landeseinwanderungsamt in Berlin Foto: dpa
Keine Frage: Die Einbürgerung von dauerhaft in Berlin lebenden Ausländern ist im Interesse nicht nur der Eingebürgerten (die dadurch mehr Rechte bekommen), sondern auch der Gesellschaft (die dadurch Menschen an sich bindet, neue Wähler*innen und Staatsbürger*innen bekommt). Unzweifelhaft ist auch: In Berlin läuft bei dem Thema vieles schief.
Es fängt damit an, dass der Prozess in den zwölf Bezirken verschieden gehandhabt wird und entsprechend unterschiedlich dauert: Wer in Mitte lebt, kann Glück haben und schon vier Monate nach der Antragstellung den deutschen Pass in Händen halten, in Pankow dauert es bis zu 2 Jahre. Mancherorts gibt es seit einiger Zeit gar keine Termine beim Einbürgerungsamt (meist mit der Corona-Entschuldigung); gleichzeitig verlangen manche Ämter eine persönliche Vorsprache, nur um die Antragsformulare abzuholen – was völlig unnötig ist und vermutlich sogar rechtswidrig.
Manche legen die Kriterien zur Einbürgerung auch falsch aus, behaupten etwa, wer Hartz IV bekommt, kann nicht eingebürgert werden – obwohl in den Richtlinien etwas anderes steht (nämlich: Einbürgerung mit Hartz IV ist möglich für diejenigen, die „den Bezug von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nicht selbst zu vertreten“ haben, etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung).
Die bisherige Bilanz: Das Einbürgern wird den Menschen in der Hauptstadt unnötig schwer gemacht, es ist ein langwieriger Prozess voller Hinder- und Ärgernisse, den sich manche*r deswegen lieber gleich erspart. Kein Wunder also, dass Berlin im bundesweiten Vergleich der Einbürgerungsquoten fast Schlusslicht ist; nur das Saarland ist noch schlechter.
Vorbild Hamburg
Das Potential des Themas hatte die Berliner SPD schon im Wahlkampf erkannt und sich für eine Reform stark gemacht. Nach dem Vorbild Hamburg brachte man die Idee eines zentralen Einbürgerungsamtes ins Spiel, was dort offenbar zu einer bemerkenswerten Erhöhung der Zahlen in den letzten Jahren geführt hat.
So kam die zentrale Einbürgerungsbehörde in den Koalitionsvertrag, vergangene Woche hat der Senat das Projekt nun auf den Weg gebracht. Die neue Behörde soll dem Landeseinwanderungsamt (LEA), der früheren Ausländerbehörde, angegliedert werden und würde damit der Innenverwaltung unterstehen.
Thematisch ist das durchaus sinnvoll: Das LEA ist ja ohnehin die Kontaktstelle für viele Ausländer, stellt Aufenthaltstitel aus und kennt die potenziellen Einbürgerungskandidaten. Es könnte daher sogar proaktiv auf die Menschen zugehen und sie ermuntern, sich einbürgern zu lassen.
Andererseits ist die Behörde schon mit ihren jetztigen Aufgaben völlig überlastet. Vor allem das Terminmanagement ist eine Katastrophe, wie Berater*innen von Geflüchteten seit Jahren immer wieder berichten. Oft bekomme man Wochen oder gar Monate keinen Termin um dringend benötigte Papiere zu erhalten oder zu verlängern: Arbeitsplatzangebote, für die man eine Arbeitserlaubnis brauchte, seien dann wieder weg; Aufenthaltstitel inzwischen abgelaufen.
Kein Termin in 8 Wochen
Ein Selbsttest der Autorin beim online-Terminportal des LEA brachte diese Woche das gleiche Ergebnis: Als frühestes Datum, um einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zu verlängern, wurde der 14. Juli angeboten. Gleichzeitig hatte das System vorher dazu geraten, den Termin 6-8 Wochen vor Auslaufen der Aufenthalterlaubnis zu vereinbaren. Dumm nur, dass in dieser Frist kein Termin zu bekommen ist!
Die Erwartung, beim LEA würden Einbürgerungen besser funktionieren, ist unter den aktuellen Bedingungen also völlig illusorisch. Das Amt müsste erstmal so ausgestattet werden, dass es seine bisherigen Aufgaben erledigen kann. Dann kann man ihm neue geben.
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Kommentar von
Susanne Memarnia
Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Arbeit.
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Susanne Memarnia
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