Zensur in China: Klarnamen fürs Internet
Die Regierung in Peking plant, die Nutzung von Internet und Mobilfunk künftig an Klarnamen zu koppeln. So soll jeder kritische Kommentar leicht zurückverfolgt werden können.
BERLIN taz | Schon jetzt ist das Internet in China alles andere als frei: Ein riesiger Zensurapparat, die "große Firewall" genannt, blockiert alles, was den Regierenden nicht passt: Demokratiebemühungen, "freier" Journalismus, Glücksspiele, Online-Nackedeis etc. Was bislang allerdings noch erlaubt war, war eine gewisse Form von Anonymität - so konnte man ohne Angabe seines Namens auf Portalen kommentieren oder auch ein anonymes Blog führen, wenn sich dafür ein passender, nicht gesperrter Anbieter fand.
Diese Lücke will Peking nun schließen. Wang Chen, Direktor des Informationsbüros des Staatsrats, forderte im April vor dem gesetzgebenden Organ des Landes, die "schändliche Anonymität" im Netz gänzlich abzuschaffen. Laut einem Redetext, welcher der amerikanischen Menschenrechtsorganisation "Human Rights in China" (HRIC) vorliegt, ist ein ganzes Maßnahmenbündel geplant. Demnach soll künftig weder das Online-Gehen noch die Nutzung von Mobiltelefonen ohne Angabe des Klarnamens möglich sein.
China hat mittlerweile 400 Millionen Nutzern. Künftig soll jeder von ihnen für alles, was er oder sie im Netz sagt, haftbar gemacht werden können. Große technische Anstrengungen wie die sonst notwendige Rückverfolgung der Internet-Adresse sollen dann nicht mehr nötig sein.
Peking will sich zu dem Plan nicht offiziell äußern, das Manuskript von Chens Rede verschwand schnell von der offiziellen Website. "Wir werden das neue Internet-Realnamen-System so schnell wie möglich realisieren, ein landesweites Handy-Realnamen-System einführen und das Namensregistrierungssystem Schritt für Schritt interaktiven Online-Prozessen hinzufügen", heißt es gestelzt. Demnach sollen künftig Kommentare auf Websites und in Foren nur noch mit Klarnamen erlaubt sein, alles andere soll gelöscht werden.
Das Internet ist in China trotz der ständigen Zensur zum wichtigsten Medium der Meinungsäußerung geworden. Die anonyme Nutzung erlaubt es bislang, sich zumindest teilweise mit wahren Worten an seine Mitbürger zu wenden. Allerdings war Peking auch schon früher gegen Unbekannte im Netz vorgegangen und hatte sich dann die Nutzerdaten der Portalbetreiber besorgt. Auch westliche Online-Konzerne machten hier bereits mit, was Politiker etwa in den USA scharf verurteilten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm