Zensierte Werbung: U-Bahn politisch neutral
Die Hochbahn stoppt einen Werbespot für Vattenfall-kritische Lesungen - es handele sich um politische Werbung.
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Der Spot „Musikalische Lesungen im Knust“ sollte eine Woche lang auf den Bildschirmen der Hamburger U-Bahnen laufen. Doch nach zwei Tagen war Schluss. Die Mediengruppe Ströer hatte den Werbeauftrag storniert. „Es entsteht dem Auftraggeber kein finanzieller Schaden, wir haben das ganze Guthaben zurückgezahlt“, sagt Ströer-Sprecher Mark Sausen.
Auftraggeber war der Zusammenschluss „Unternehmer gegen Atomkraft“, der in diesen Tagen im Knust Autoren-Lesetage unter dem Motto „Vattenfall vom Netz trennen“ organisiert. Die Lesungen mit Künstlern wir Rocko Schamoni, Rolf Becker und Kai Degenhardt sind eine Benefizveranstaltung für die Volksinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“, die beim Volksentscheid am 22. September den vollständigen Rückkauf der Energienetze anstrebt.
„Wir haben eine Beschwerde erhalten und unseren Werbepartner Ströer gebeten, die Werbung auf politische Inhalte zu prüfen“, sagt Hochbahn-Sprecherin Maja Weihgold. „Die Rückmeldung war, dass die Chart gelöscht wurde.“ Bei genauer Überprüfung, so Ströer-Sprecher Sausen, sei seine Firma zur der Auffassung gelangt, dass es sich um politische Werbung handele, die nach den Geschäftsbedingungen nicht zulässig sei.
Die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" strebt bei einem Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl die vollständige Rekommunalisierung der Gas- und Stromnetze sowie der Fernwärmeversorgung an.
Der SPD-Senat ist gegen den Rückkauf, weil der mit zwei Milliarden Euro zu teuer sei und hat stattdessen eine Beteiligung an den Netzen in Höhe 25,1 Prozent in der Bürgerschaft durchgesetzt.
Die Initiative erwägt eine Klage auf Grundlage des Transparenzgesetzes, da der SPD-Senat sich weigert, Details des 543,5-Millionen-Euro-Deals offenzulegen.
„Das war eindeutig Werbung für eine Kulturveranstaltung, auch wenn es eine Benefiz-Veranstaltung für uns war“, erwidert Wiebke Hansen, Kampagnenleiterin der Initiative. „Dann müsste ja auch Werbung für einen Sänger unzulässig sein, der politische Lieder singt“, sagt sie. Den einen Anruf bei der Hochbahn habe die Stadt genutzt, „um eine politisch ungewollte Position aus der Öffentlichkeit zu verbannen“, so Hansen.
SPD-Filz vermutet
Dirk Seifert von Robin Wood äußert in seinem Blog sogar die Vermutung, dass SPD-Filz eine Rolle bei der Entscheidung gespielt habe. SPD-Bürgermeister Olaf Scholz kämpft gegen den Netzrückkauf. Hochbahn-Chef Günther Elste war langjähriger SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft. Sein früherer Referent Hauke Eugen Wagner ist zu Vattenfall gewechselt und dort für die von der SPD durchgesetzte Minderheits-Beteiligung der Stadt an den Energieversorgungsnetzen zuständig. Er sitzt im SPD-Landesvorstand.
Hochbahn-Sprecherin Weihgold weist jeglichen Verdacht der Einflussnahme zurück: „In den Prozess der Werbeschaltungen von Ströer sind weder Herr Elste noch ein ehemaliger Mitarbeiter unseres Unternehmens eingebunden“, sagt sie.
Vattenfall wirbt ungehindert
Seifert ärgert sich, dass die Initiative überall Probleme kriege, aber der Stromkonzern Vattenfall „ungehindert rechtswidrige Werbung schalten“ kann. Zuletzt hatte die Bundesnetzagentur mitgeteilt, sie untersuche unter anderem Zeitungsbeilagen gegen den Netzrückkauf daraufhin, ob Vattenfall darin sauber zwischen Netzgesellschaft und Stromversorger unterscheide.
Wiebke Hansen von „Unser Hamburg – unser Netz“ kann der Posse auch Positives abgewinnen: „Wir hatten zwei Tage kostenlose Werbung in der U-Bahn.“
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