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Quasimonopol in Hessen

Die Verlagsgruppe ZHH will die „Frankfurter Rund­schau“ und die „Frankfurter Neue Presse“ über­neh­men. Verdi kämpft jetzt für den Erhalt der Arbeitsplätze

Nach der Übernahme von „FNP“ und „FR“ würde es in weiten Teilen Hessens nur noch Zeitungen aus einem Verlagshaus geben Foto: Boris Roessler/dpa

Aus Frankfurt am Main Christoph Schmidt-Lunau

Die Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Frankfurter Rundschau (FR) und die Frankfurter Neue Presse (FNP) hatten mit der Fazit-Stiftung bislang einen gemeinsamen Eigentümer. Seit Freitag steht fest: Der Münchner Verleger Dirk Ippen und seine hessischen Partner, die Gießener Verlegerfamilie Rempel, wollen nun zwei der Blätter, die FR und die FNP, übernehmen.

Was auf den ersten Blick wie eine Entflechtung eines lokalen Monopols aussieht, ist in Wahrheit ein weiterer Schritt zur Konzentration des Zeitungsmarkts. Zur Verlagsgruppe ZHH, die Ippen und Co. in den letzten Jahren aufgebaut haben, gehören nämlich schon jetzt eine Reihe von hessischen Regionalzeitungen. Nach der Übernahme von FNP und FR würde es in weiten Teilen des Landes nur noch Zeitungen aus dem gleichen Verlagshaus geben, auch dort, wo noch mehrere Titel erscheinen. Schon vor der geplanten Übernahme hatte der Fachbereichsleiter Medien der Gewerkschaft Verdi, Manfred Moos, von einem „Quasimonopol“ gesprochen. Die Gewerkschaft kämpft jetzt für den Erhalt der Arbeitsplätze. Rund 900 Mitarbeiterinnen der Societäts-Mediengruppe und der Druckerei sind betroffen.

Am Freitag hatten sich die künftigen Eigentümer in getrennten Betriebsversammlungen den MitarbeiterInnen von FNP und FR vorgestellt. Ihre Ankündigungen mussten allerdings vage bleiben, so erfuhr es die taz aus Teilnehmerkreisen. Schließlich bedarf der Deal noch der Zustimmung der Kartellbehörden. Und die neuen Eigner wissen offenbar nicht viel über die innere Verfassung der Häuser. In die Verkaufsverhandlungen seien weder Betriebsräte noch Redaktionen einbezogen worden.

„Es war ein sehr aufregender Tag“, so der Betriebsratsvorsitzende der FNP, Thomas Remlein. „Wir wissen, dass Ippen Regionalzeitung kann. Wir wissen allerdings auch, dass er die Leistungen seiner Mitarbeiter nicht angemessen honoriert“, sagt er. Remlein spielt darauf an, dass in vielen Häusern der Ippen-Zeitungsgruppe nicht nach Tarif bezahlt wird. Das gilt allerdings auch schon seit Jahren für die meisten MitarbeiterInnen von FNP und FR.

„Ippen kann ­Regionalzeitung, aber er honoriert seine Mitarbeiter nicht angemessen“

Thomas Remlein, Betriebsratsvorsitzender der „FNP“

Vor allem für die FNP, eine Zeitung mit starkem regionalem Schwerpunkt, dürfte sich vieles ändern. Der Umbau des Blattes durch den neuen Chefredakteur Joachim Braun hat offenbar nicht nur viel Geld, sondern Tausende Abonnenten gekostet. Es heißt, das Profil passe zu den „Nachbarzeitungen“ Offenbach-Post und Hanauer Anzeiger, die bereits zu Ippens ZHH gehören oder mit ihr kooperieren. „Synergieeffekte“ seien zu erwarten. Das bedeutet in der Regel Stellenstreichungen. Im vergangenen Jahr hatte die FNP noch eine Million Euro in einen hochmodernen Newsroom investiert; in Medienkreisen kursiert das Gerücht, auch das Gebäude, in dem die Redaktion untergebracht ist, stehe zum Verkauf, ebenso wie der FAZ-Stammsitz; es werde dringend Geld für die ebenfalls notleidende FAZ gebraucht. Zu solchen Informationen gab es am Wochenende weder eine Bestätigung noch ein Dementi.

Die FAZ werde sich künftig auf ihre „nationale Strategie“ konzentrieren, heißt es in der Mitteilung ihrer Eigentümer. Das ist für die MitarbeiterInnen der Rhein-Main-Zeitung, die als Lokalteil in der Region täglich mit der FAZ verteilt wird, eher eine schlechte Nachricht.

Die MitarbeiterInnen der FR, einst daslinksliberale Vorzeigeblatt der Republik, sorgen sich eher um ihren überregionalen Auftritt. Die Karl-Gerold-Stiftung, die nach wie vor 10 Prozent an der FRhält, verlangt von den neuen Partnern, „die zentralen Profil- und Qualitätsmerkmale“ der Zeitung zu erhalten, „den überregionaler Anspruch, die journalistische Eigenständigkeit und die linksliberale Haltung“. Nach der Betriebsversammlung seien viele jüngere KollegInnen ziemlich verunsichert gewesen, berichten TeilnehmerInnen, die älteren hätten die Nachricht gelassen aufgenommen. Nach etlichen Sparrunden schreibe die FRwieder schwarze Zahlen, sie habe schon mehrere Eigentümerwechsel und sogar eine Insolvenz überlebt, hieß es von einem Teilnehmenden.

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