Zeitungskrise in Schweden: Große weiße Flecken

Schwedens Lokalpresse hat ein Problem: Redaktionen werden geschlossen oder verkleinert. Die staatliche Presseförderung hilft dabei nur wenig.

Pilze liegen auf einer Zeitung ausgebreitet

Printzeitungen braucht es nicht nur zum Pilze-Trocknen, sondern auch für die Gesellschaft Foto: imago/Benne Ochs

STOCKHOLM taz | Im südschwedischen Småland werden Ende Januar die AbonnentInnen von sechs Lokalzeitungen letztmals ihr gewohntes Blatt im Briefkasten finden. In einem Gebiet, das vergleichsweise zwei Drittel der Fläche von Schleswig-Holstein umfasst, ersetzt der Verlag die bisherigen selbstständigen Printtitel durch ein regionales Blatt. Sechs Lokalredaktionen werden geschlossen, bei anderen wird das Personal halbiert. 37 JournalistInnen ist gekündigt worden.

Es gibt derzeit zahlreiche solcher Beispiele im ganzen Land. Schwedens lokaler Journalismus befindet sich in einer schweren Krise. In zehn Jahren sind mehr als ein Drittel der Stellen von hauptberuflich angestellten JournalistInnen verschwunden. Von einer „schiefen Ebene“, auf der der Lokaljournalismus derzeit offenbar unaufhaltsam abrutsche, spricht Jonas Ohlsson, Medienforscher an der Universität Göteborg. Das von ihm geleitete Nordicom-Institut fasst in seiner gerade veröffentlichten Tageszeitungsbilanz 2018 als „schlechtestes Jahr aller Zeiten“ zusammen. 2019 verspricht noch düsterer ausfallen.

In zehn Jahren verlor die Branche über ein Drittel ihrer Einnahmen, speziell Anzeigeneinnahmen. Für Lokalzeitungen sei es besonders schwer, digitale Einnahmen zu generieren, diese könnten nicht annähernd den Wegfall der Printeinnahmen kompensieren und seien teilweise sogar rückläufig, konstatiert Ohlsson.

Förderung eher kontraproduktiv

Und das großzügige System staatlicher Presseförderung, das sich Schweden seit über fünf Jahrzehnten leistet? Es hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Womöglich war es sogar eher kontraproduktiv, weil es erforderliche Anpassungen beim Kostenkostüm zu lange hinauszögerte.

Ein aktuelles Problem ist die mangelnde finanzielle Ausstattung bei gleichzeitig immer mehr Förderberechtigten. Zeitungen haben Anspruch auf Produktionskosten, wenn in ihrem Verbreitungsgebiet ihre Haushaltsdeckung unter 30 Prozent liegt. Selbst ehemalige Monopolzeitungen landen mittlerweile unter dieser Grenze. Ein Drittel aller Fördergelder geht an relativ auflagenstarke Blätter, während für kleinere Medien immer weniger übrigbleibt. Johan Ehrenberg, Herausgeber der linken Tageszeitung ETC, beklagt, „dass man diese Gelder nun auch Milliardären in die Tasche stopft“.

Die bekommen auch den Großteil der Vertriebsbeihilfe, die sich an der Auflage orientiert. Der Vertrieb in den Städten braucht solche Subvention eigentlich nicht und auf dem flachen Land ist es viel zu wenig, um die Zustellnetze aufrechtzuerhalten. Und wenn LeserInnen ihre Zeitung per Post erst im Laufe des Tages bekommen, hagelt es erst recht Kündigungen. So wird die Finanzierung des Vertriebs schnell zu einem nicht mehr lösbaren Problem, sagt Gunilla Persson, ehemalige Chefredakteurin der eingestellten Tageszeitung Östra Småland.

Reform soll kommen

Werden die Printausgaben eingestellt, verschwinden zwar die Zustellkosten, aber es fällt auch die Basis der LeserInnenfinanzierung weg. Und nach einer aktuellen Umfrage können sich nur 14 Prozent der SchwedInnen vorstellen, für ausschließlich digitale Lokalmedienabonnements zu zahlen.

Eine Reform der Presseförderung stehe ganz oben auf der Prioritätenliste der Regierung, versichert Kulturstaatssekretärin Helene Öberg. Man hat ein Programm gestartet, mit dem zielgerichtet die Existenz oder Neu­ansiedlung von Lokalredaktionen gefördert wird. Die Resultate sind bislang positiv. Aber das müsste rasch ausgebaut werden, damit die weißen Flecken, in denen es lokal verankerte Berichterstattung schon nicht mehr gibt und damit eine effiziente Kontrolle der lokalen Politik kaum noch stattfindet, nicht noch größer werden.

Denn so schreibt es Håkan Juholt, Ex-Parteivorsitzender der Sozialdemokraten und ehemals Journalist bei Östra Småland, in der Abschiedsnummer des Blattes: „Die Lokalzeitung ist unsere gemeinsame Gesellschaft, die Welt, die wir teilen. Stirbt die Zeitung, verschwindet auch diese Gesellschaft.“

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