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Zeigt her eure Taschen

■ 350 Millionen Mark fehlen Runde hier und jetzt: Woher nehmen, wenn nicht von den anderen SenatorInnen? / Landesbank versilbern? Von Silke Mertins

Nichts als Dunkelheit am Ende des Tunnels: Gestern verkündete Hamburgs Finanzsenator Ortwin Runde auf der Landespressekonferenz, welche Gelder bereits verplant sind, aber nicht eingenommen werden. Die Mai-Steuerschätzung auf Hamburg umgerechnet hat Rundes Befürchtungen übertroffen: 348 Millionen Mark fehlen aufgrund geringerer Steuereinnahmen im laufenden Haushalt 1996. Im kommenden Jahr werden Steuermindereinnahmen von 812 Millionen geschätzt. Das bedeutet: Alle bisherigen Sparbemühungen sind neutralisiert; die Stadtkasse gähnt wegen sinkender Steuereinnahmen genauso leer wie vorher.

Neben den Zahlen des Grauens stellte Runde auch die Schuldigen im Sinne des Finanzdesasters vor: Bundesfinanzminister Theo Waigel („Zu dem fällt mir nichts mehr ein“), die Konjunkturdelle („Wir haben es mit einer hochunerfreulichen Entwicklung zu tun“), Steuerrechtsänderungen des Bundes („Die Vermögenssteuer ist sozial ungerecht“) und des Länderfinanzausgleichs („Die Zahlungsverpflichtung Hamburgs wächst von 180 auf 380 Millionen Mark“). Die Arme und Pleitestadt Hamburg ist nämlich trotz aller Löcher immer noch das viertreichste Bundesland gemessen an der Steuerkraft.

Während die Hamburger Wirtschaft sich etwas besser entwickelt als im Bundesdurchschnitt (1 Prozent), ist die Beschäftigungsentwicklung deutlich ungünstiger als bundesweit (minus 1,5 Prozent). Und weniger Arbeitsplätze bedeuten weniger Einkommenssteuer.

Wie man das Haushaltsloch nun dreht und wendet, „durch zusätzliches Sparen allein wird der Haushalt nicht auszugleichen sein“, so der Finanzsenator. Neue Sparvorgaben für jede einzelne Behörde wird es geben, aber auch „Vermögensmobilisierung“. Welchem Senator die Finanzbehörde verschärft in die Tasche zu greifen gedenkt, wollte Runde gestern noch nicht verraten. Grundvermögen soll wie bisher veräußert werden. Auch der Verkauf der Landesbank ist weiter im Gespräch, unklar aber, zu welchen Anteilen, wie schnell und zu welchem Preis das begehrte Objekt verscherbelt wird. Zwischenzeitlich wird Runde sich mit Kassenkrediten über die Runden helfen müssen, um flüssig zu bleiben. Das bereits bestehende Haushaltsloch von rund 1,4 Milliarden soll durch den Verkauf von HEW-Anteilen gestopft werden.

Regierungspartner und Spar-Superman Statt Partei hatte bereits angekündigt, daß es beim Haushalt „um die Wurst“ und ums Überleben des rot-grauen Bündnisses gehen wird. Jetzt müsse überlegt werden, wo die Stadt ihre Leistungen einschränken muß.

„Der Verzicht auf Schuldenabbau in den Jahren sprudelnder Steuereinnahmen rächt sich ebenso wie die bedenkenlose Aufblähung des öffentlichen Dienstes“, kritisiert Ralf Mairose (CDU) zu Recht. Doch weder CDU noch SPD wollen gemeinsam mit der GAL eine Bundesratsinitiative für eine Reform der Einkommenssteuer auf den Weg bringen. Dabei könne die Streichung „unzähliger Abschreibungsmöglichkeiten“ und die Senkung der Tarife zu erheblich mehr Steuereinnahmen führen, ist der GAL-Frakionsvorsitzende Willfried Maier überzeugt.

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