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Zeichen staatlicher Heuchelei

■ betr.: „Abschiebung aus Kirchen asyl“, taz vom 5.9. 96

[...] Es ist wirklich an der Zeit, daß sich Christen aller Konfessionen nun, nach dem Bruch des Kirchenasyls unmißverständlich zu Wort melden und die Frage stellen: „Wenn man auf das Leben und die Botschaft Jesu schaut und dann auf die Politik in Bayern, inwieweit ist die denn christlich oder wenigstens human?“ [...]

Es genügt nicht, sich für das ungeborene Leben einzusetzen, so wichtig das auch nach meiner Überzeugung ist; und daß in den Schulen Kreuze hängen, ist von der Botschaft Jesu her gesehen in keiner Weise bedeutend. Die Frage jedoch ist zentral, ob wir Verfolgten Zuflucht gewähren, ob wir Kriegsflüchtlinge aufnehmen. Da kann sich der am Gleichnis vom „Barmherzigen Samariter“ nicht vorbeimogeln, der den Anspruch erhebt, „christliche Politik“ zu machen. Da müssen wir uns der Mühe unterziehen, den Einzelfall zu prüfen und können nicht auf dem Niveau der Stammtischgespräche in jedem, der Hilfe sucht, erst einmal den Schmarotzer sehen. [...]

Vielleicht kommt es soweit, daß nicht Atheisten, sondern engagierte Christen einer Stadt, wo jemand brutal und unmenschlich abgeschoben wird, fordern, daß die Kreuze in den Klassenzimmern abgenommen werden, weil unter solchen Umständen das Kreuz nicht als Zeichen der Botschaft Jesu, sondern als Zeichen staatlicher Heuchelei wahrgenommen wird. Erich Hannak, Grafenwöhr

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