: Zehntausende am Bauzaun der WAA
Oberpfälzer Bürgerinitiativen, bayerische Anti-AKW- und Friedensbewegung konstatieren „großen Erfolg“ der Herbstaktionen 1988 / Protest ohne Power / Demonstrationskonzept umstritten / Polizei lobt Veranstalter / WAA-GegnerInnen gegen Spaltungsversuche ■ Aus Wackersdorf Bernd Siegler
Etwa 50.000 WAA-GegnerInnen zogen am Samstag in einem mehrere Kilometer langen Zug zum Bauzaun der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. Sie forderten einen sofortigen Baustopp der WAA. Zum ersten Mal seit Pfingsten 1986 war eine Demonstration zum Baugelände genehmigt worden. Die Veranstalter aus den Oberpfälzer Anti -WAA-Bürgerinitiativen, der bayerischen Anti-AKW- und der Friedensbewegung sprachen deshalb von einem großen „politischen Erfolg, das Demonstrationsrecht durchgesetzt zu haben“.
Nach dem „skandalösen Abbruch“ des WAA-Erörterungstermins in Neunburg vorm Wald, so Hannes Bojarski vom „Koordinationskreis Herbstaktionen 1988“, sei es gelungen, „das Spektrum der insgesamt 880.000 Einwender gegen die zweite WAA-Teilerrichtungsgenehmigung anzusprechen“. Ein breites Bündnis, darunter die bayerische SPD, der Bund Naturschutz, örtliche Gewerkschaften und die Grünen hatten die Demonstration unterstützt.
Das Demonstrationskonzept, geschlossen zum WAA-Gelände und ohne Aufenthalt wieder zurück zum Wackersdorfer Volksfestplatz zu ziehen, wurde von den WAA-GegnerInnen zwar befolgt, löste aber noch vor Ort heftige Diskussionen aus. Insbesondere Oberpfälzer zeigten sich enttäuscht darüber, daß der Erfolg, diesmal bis zum Bauzaun vorgedrungen zu sein, nicht in Form einer spontanen Kundgebung manifestiert worden sei. Statt dessen wurden alle Auflagen der Polizei strikt eingehalten. Nicht ein einziger „Atomkraft - Nein danke„-Luftballon stieg ordnungswidrig in die Luft. Die Polizei, die mit über 2.500 Beamten vor Ort war, Fortsetzung auf Seite 2
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und die Teilnehmerzahl auf 20.000 schätzte, zeigte sich denn auch restlos zufrieden über den Verlauf der Demonstration gegen die WAA. „Das ist ein Aufzug, wie ihn sich die Polizei wünscht, der Verkehr war unser größtes Problem “, freute sich Arthur Stelzer vom Führungsstab der Ordnungshüter in Schwandorf. Dort verzeichneten die Beamten lediglich eine Festnahme und die vorsorgliche Sicherstellung einer Flasche mit Brennspiritus.
Auch Polizeipräsident Wilhelm Fenzl nutzte die Gelegenheit der friedlichen Demonstration, um die Veranstalter zu loben. Sogenannte militante WAA-Gegner hätten keine Basis mehr in der Region und seien nicht vor Ort gewesen. Hannes Bojarski vom Koordinationskreis Herbstaktionen wies derartige Vereinnahmungsstrategien der Polizei zurück. Er gab zu, daß die „fehlende Power“ bei der Demonstration für ihn ein „Phänomen“ sei. Er betonte, der Widerstand werde sich nicht spalten lassen und „das Feld nicht nur den Spezialisten und Anwälten überlassen“.
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