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Zauber-Historiker über zaubernde Frauen„Eine wertvolle Tradition“

Frauen haben immer schon gezaubert, sagt Wittus Witt, selbst Zauberkünstler und Museumsgründer. Zum Beleg gibt es nun eine Gala und eine Ausstellung.

Verblüffte auch schon amerikanisches TV-Publikum: Die Hamburger Zauberkünstlerin Alana mit den Zutaten für einen Hütchentrick Foto: alana.tv
Alexander Diehl
Interview von Alexander Diehl

taz: Wittus Witt, wie kommt Ihr „Hamburger Zaubermuseum Bellachini“ zu seinem Namen?

Wittus Witt: Bellachini war der berühmteste Zauberer im 19. Jahrhundert, 1827 bis 1885 hat er gelebt, Samuel Berlach hieß er eigentlich. Er wurde so berühmt, dass sich nach meinen Forschungen mindestens 30 weitere Zauberer „Bellachini“ genannt haben. Tatsächlich hat er eine Marke geschaffen. Ich bin nun sozusagen der letzte Bellachini: So heißt mein Museum, weil ich dafür einfach einen schönen Namen wollte und es ein kulturhistorisches Museum ist.

Was stellen Sie hier aus?

Die Tour fängt hier an mit einer Darstellung der frühesten Taschenspieler, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts: Die standen auf Straßen und Märkten, hatten immer eine große Tasche um die Hüfte, aus der heraus sie die Requisiten nahmen, und das Becherspiel zeigten – nicht zu verwechseln mit dem Hütchenspiel, bei dem ihnen das Geld aus der Tasche gezogen werden soll! Es ist wohl das berühmteste Zauberkunststück, noch heute. Denn darin zeigen sich die drei wesentlichen Prinzipien eines Zaubertricks: Erscheinen, Verschwinden, Verwandeln. So, und auf dieser frühen Grafik hier sehen wir schon eine zaubernde Frau …

… das Thema Ihrer neuen Ausstellung.

Weiter geht es mit der Darstellung der Zauberkunst in Printmedien, also Bücher von 1750 an. Da ging es nicht unbedingt ums How-to-do, sondern das waren vielfach noch physikalische Spielereien: Wie kann ich heiße Kohle auf der Hand tragen, solche Sachen.

Gibt es eine Hochphase, was die Publikationen angeht?

Das ist kontinuierlich so geblieben. Durch die neuen Medien, den digitalen Druck erscheint sogar fast täglich irgendwo auf der Welt ein Buch.

Die Termine

Zauber-Gala mit Belinda Sinclair (NYC), Michelle Spillner (Frankfurt/M.) und Alana (Hamburg), es moderiert Stefan Alexander Rautenberg: Mi, 1. 5., 20 Uhr, Hamburg, Sprechwerk, Klaus-Groth-Str. 23

Belinda Sinclair, „Parlour Magic“: 2.–5. 5., jeweils 21 Uhr, Hamburger Zaubersalon, Hansaplatz 8

Ausstellung „Zauberkunst in Frauenhänden“. Eröffnung: So. 5. 5., 15 Uhr, Hamburger Zaubermuseum Bellachini, Hansaplatz 8, bis 31. 10.

Interessant. Ich hätte mir vorstellen können, dass sich das verlagert hat hin zu Videoclips im Netz.

Was sich verlagert hat, ist das Kommerzielle, die ganze Händler-Szene, wo früher die Tricks verkauft wurden. Hier in Hamburg gab es ein sehr bedeutendes Zaubergeschäft, Bartl am Neuen Jungfernstieg. Und diese Geschäfte sind durch das Internet in der Tat plattgemacht worden. Die Zauberei ist ja die einzige Kunst, die man nicht alleine ausüben kann: Wenn ich alleine zaubere, und bei mir verschwindet etwas, das ist nicht spannend, denn ich weiß ja immer: Es ist noch da. Sie können alleine fotografieren, alleine Artikel schreiben – aber alleine zaubern, das funktioniert nicht. Das ist mir wichtig: zu zeigen, dass die Zauberkunst eine Tradition hat, eine wertvolle Tradition. Dabei wird sie schnell als Kindergeburtstags-Animation abgetan – aber kaum jemand weiß, wie toll die Zauberkunst auch von ihrer Geschichte her ist.

Mit der kommenden Ausstellung – und einer Gala mit drei Künstlerinnen – widmen Sie sich zaubernden Frauen.

Das ging mir schon lange durch den Kopf. Ich gebe seit über 20 Jahren eine Zeitschrift heraus, für Zauberer: die Magische Welt. Die ist 1952 gegründet worden, und in den ersten 50 Jahrgängen wurde darin eine einzige Frau vorgestellt. Da habe ich gesagt: Das muss sich ändern. Dass es tolle Frauen gibt, wusste ich. Ich habe dann aber recherchiert und vieles entdeckt, das noch nicht so bekannt war. Ich habe auch eine richtige empirische Untersuchung mit den Kollegen gemacht.

Frühestes Zeugnis: Bénita Anguinet, die wohl erste französische Zauberkünstlerin (um 1856) Foto: Archiv Wittus Witt

Wie denn das?

Wir haben 120 Fragebögen verschickt, und fast die Hälfte hat geantwortet. Frauen, die gezaubert haben, hat es tatsächlich immer schon gegeben. Nur waren die Männer dominierend, wie in den anderen Bereichen auch. Von daher ist das für mich eine ganz tolle Geschichte, jetzt die Frauen in der Zauberkunst zu würdigen. Es gibt dazu einen schönen Katalog, ich hab eine, sie sagt selbst: „Spätfeministin“ kennengelernt, Natascha Würzbach, Literaturwissenschaftlerin, die wollte unbedingt das Vorwort schreiben. weil das auch dann natürlich ihr Anliegen war, und das ist also eine große Sache.

Und noch vor der Vernissage veranstalten Sie nun eine Gala mit drei zaubernden Frauen.

Ich hab eine Zauberkünstlerin eingeladen, die ich vor 20 Jahren in Amerika kennengelernt habe, Belinda Sinclair. Die kommt zum ersten Mal überhaupt nach Deutschland. Sie gibt dann auch gleich noch ein paar Mal ihr Solo-Programm „Parlour Magic“.

Ein Programm nur mit Frauen, das ist die Ausnahme?

Ja, genau.

Wenn eine Frau dann zaubert, sieht sie sich regelmäßig auf ihre Optik reduziert, muss bestimmten Schönheitsvorstellungen entsprechen, sich sexy kleiden auf der Bühne … die Männer dagegen können aussehen, wie sie wollen?

Das Geleitwort für den Katalog hat mir auch eine Zauberin geschrieben, Michelle Spillner …

die nun auch auftrìtt.

Sie schreibt: Bei einem Mann kümmert man sich doch nicht darum. Schauen Sie sich Schauspieler an: Für Orson Welles war sein Wanst kein Problem, beim Tatort aus Münster hat der Kommissar auch keine Model-Qualitäten … Wissen Sie, Frauen gehen viel künstlerischer an die Zauberei heran als Männer. Wenn Frauen über eine Darbietung nachdenken, fragen sie sich: Was kann ich für ein Bild zeigen? Was kann ich für eine Atmosphäre schaffen? Der Mann dagegen denkt viel mehr an seine Technik, an das Tricktechnische und versucht daraus eine Nummer zu machen.

Bild: privat
Im Interview: Wittus Witt

Wittus Witt

74, studierte künstlerisches Lehramt bei Joseph Beuys, später Design. Während des Studiums erste Straßenzauberei und Entdeckung durch das WDR-Fernsehen. Heute Zauberkünstler und -historiker, Autor, Herausgeber, Galerist und Museumsdirektor.

Wer schon Männer hat zaubern sehen, würde nun also Unterschiede bemerken?

Ja!

Wie ist das mit dem Repertoire: Gibt es eine Art Pool mit Tricks, aus dem sich dann im Prinzip alle bedienen?

Das ist wie mit der Musik: Es gibt zwölf Grundtöne, mit denen spielt jeder, aber wie die genau zusammengestellt werden …

da kann man Stockhausen werden oder Beethoven …

Genau.

Würden Sie sich dazu hinreißen lassen, eine Einschätzung abzugeben: Wie verhält sich das mit den Geschlechtern heute bei Zaubernden?

Das kann ich sogar ziemlich genau sagen: etwa ein Drittel Frauen zu zwei Dritteln Männer.

Und im Publikum?

Das hat sich in letzter Zeit geändert, aber es sind heute ungefähr 50 zu 50.

So wie in der Bevölkerung insgesamt also auch. Gibt es das typische Publikum?

So wie bei jedem Theaterstück: Das eine reizt den einen mehr, das andere weniger. Ich habe hier ein ganz junges Publikum, ich habe älteres, auch Kinder. Seit zwölf Jahren kuratiere ich Zaubernächte, und ich habe gemerkt: Zauberpublikum ist nicht automatisch Theaterpublikum. Das ist ein wenig wie: Ich gucke mir nur Komödien an, gehe nicht in Tragödien. Oder: Ich mag kein Musical, sondern sehe lieber eine Oper.

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