Zahlen zu Antiziganismus in Berlin: Rassismus ist auch Behördensache

Die neuen Zahlen der Dokumentationsstelle Antiziganismus zeigen: Corona und Ukraine-Krieg haben den Rassimus gegenüber Rom*­nja noch verschärft.

Auf dem Bild ist eine Roma-Flagge zu sehen, die vor dem Brandenburger Tor hochgehalten wird. Die Person, die sie hochhält, ist nicht zu sehen. Auf die Roma-Flagge haben sich die Delegierten auf dem ersten Weltromakongress geeinigt, am 8.4.1971. Deshalb ist der 8. April der Weltromatag. Sie einigten sich außerdem auf die Selbstbezeichnung Roma und die Hymne "Gelem, gelem". Der Weltromatag wird weltweit gefeiert.

Die Roma-Flagge bei einer Demo vor dem Brandenburger Tor

BERLIN taz | Manchmal hört man von Dingen, die kann man kaum glauben: „Einer bulgarischen Mutter wurde temporär das Sorgerecht für ihr Kind entzogen. Das Jugendamt bestätigt ihr, sie könne ihr Kind wiederhaben, wenn sie ‚Deutsch auf B1-Niveau‘ lernt.“ Oder so was: „Nach Bestehen des Mittleren Schulabschlusses (MSA) sagt eine Lehrkraft zu einer Schülerin mit Roma-Hintergrund: ‚Geh als Kassiererin bei Rossmann arbeiten, du willst doch immer schön sein.‘ “

Oder dies: „Ein Sozialarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft schlägt einer Kollegin vor, einer jungen Bewohnerin der Unterkunft nicht so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Diese habe einen Roma-Hintergrund und würde die Schule deshalb sowieso bald abbrechen und heiraten, da dies ‚zur Kultur‘ gehöre. Die Kollegin antwortet entsetzt, dass sie selbst der Minderheit angehört, studiert und keine Kinder hat. Dann sagt dieser: ‚Ach, Sie sind auch Roma? Sie sehen aber nicht so aus.‘“

Die drei Beispiele illustrieren die zahlreichen Formen von Antiziganismus, mit denen Menschen in Berlin, die als Rom­*nja gelesen werden, täglich rechnen müssen. Versammelt sind sie im neuen Bericht der Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA), der seit 2014 alle zwei Jahre von der Roma-Selbstorganisation Amaro Foro herausgegeben wird. Am Mittwoch hat Amaro Foro die Zahlen für die Jahre 2021/22 vorgestellt – und, man ahnt es schon, sie sind nicht besser geworden.

Vor dem Hintergrund von Coronapandemie und Ukrainekrieg verzeichnet DOSTA einen starken Anstieg an Diskriminierungsfällen: 2021 wurden 147 Vorfälle gemeldet, 2022 waren es 225 – die höchsten Jahresfallzahlen seit Projektbeginn. Vor allem im Lebensbereich Bildung verzeichnen sie im Vergleich zu den Vorjahren besonders viele Fälle.

Bildungschancen in Pandemie verschlechtert

Während der Pandemie, heißt es im Bericht, haben zum Beispiel Jobcenter wiederholte Male Zahlungen für Computer für die Schule abgelehnt – obwohl die Familien Anrecht darauf hatten. Oder Schulen gaben keine digitalen Lernmittel an Kinder aus Rom*nja-Familien heraus mit der Begründung, „diese Gruppe können mit den Sachen nicht umgehen“, so der Bericht. Dort heißt es weiter: „Die Coronapandemie hat die Bildungschancen von Rom*­nja in Berlin zusätzlich erschwert.“

Auch der Ukrainekrieg hat Vorurteile gegenüber der Minderheit forciert. Aus der Ukraine geflüchtete Rom*­nja würden, anders als „weiße“ Ukrainer*innen, nicht als Schutzsuchende akzeptiert, sondern als „illegitime Geflüchtete“ markiert – und sowohl in den Unterkünften als auch bei den Leistungsstellen benachteiligt, sagte Violeta Balog, Vorstandsmitglied von Amaro Foro und Projektleiterin von DOSTA. „Krieg und Krisen verstärken Antiziganismus – auch in Berlin. Die Konsequenzen sind in allen Lebensbereichen spürbar“, sagt sie. Und warnt: „Sie können lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.