piwik no script img

ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■  Tanz die Anti-Apartheid!

Mit Zeke Manyikas zweiter LP Mastercrime kauft man nicht einfach nur ein Pop-Album, sondern (wieder einmal) eine ganze Strategie. Ihr Ziel ist es, die Wahrheit über rassistische Regimes in Südafrika und anderswo zu sagen. Ihr Mittel aber ist zwangsläufig die Sprache der Popmusik und der angrenzenden Medien: Video und Musikjournalismus. Das ist ihre Chance und ihr Dilemma.

Manyika geht es keineswegs um die Präsentation importierter afrikanischer Folklore. Er ist zwar in Simbabwe geboren, lebt aber seit über 15 Jahren in England und hat die dortige Hipness-Schule durchlaufen. Er war Drummer bei der noch heute hoch gehandelten Art-School-Band Orange Juice und hat mit Matt Johnson (alias The The), dem momentanten bösen Buben der britischen Pop-Sozialkritik zusammengearbeitet. Mit anderen Worten: Zeke Manyika ist vom Gedankengut der Kunsthochschule weitaus mehr beeinflußt als von den Stammestrommeln der Homelands. Seine Idee ist - ganz im Sinne einer traditionellen (weißen) Avantgarde - so einfach wie kalkuliert: harte antirassistische Statements auf der Basis avancierter, insbesondere rhythmischer Formsprache ins Bewußtsein lethargischer „Erste-Welt„-Jugendlicher hineinzutragen, um dort einen informationspolitischen Katalysatoreffekt zugunsten real stattfindender Kämpfe zu erzielen. „Rhythms of Resistance“ nannte der 'New Musical Express‘ dieses Konzept poetisierend. Der wummernde Drum -Sound als fühlbarer und aufrüttelnder Vermittler zwischen blutiger Wirklichkeit und Freizeitagonie: Tanz die Anti -Apartheid!

Dieser Gedanke hat seine Richtigkeit darin, daß heutzutage die simpelste Wahrheit in der Regel erst einmal Spektakelform annehmen muß, damit sie im Zirkus der möglichen Aussagen und Meinungen überhaupt eine Chance hat, gehört zu werden, und das, obwohl jeder sie nicht nur wissen könnte, sondern eigentlich auch wissen müßte. Falsch ist der Gedanke aber deshalb, weil er in einem Kontext wirken möchte, dessen perfiden Mechanismen er sich immer schon verschrieben hat. Die Folge davon ist, daß Zeke Manyika im Video zu „Bible Belt“, einem inhaltlich radikalen Protestsong („In the bible belt/Of the southern veldt/The whites make the rules/And rule the mind of fools“), mit nacktem Oberkörper durch die Symbolwelt der Apartheid, durch vertrocknete Felder und von Hubschraubern kontrolliertes Gelände robben muß, um Unterdrückung zu visualisieren. Während noch gedreht wird, ist bereits ein Troß von Journalisten (live dabei!) dazu abgestellt, diese Show nebst Verfolgtenschweiß und Muscle-Appeal in mundgerechte Spaltenform zu bringen. Holiday in Harare. Das Video wurde in Saimbabwe und Mosambik an „Originalschauplätzen“ aufgenommen.

Ein Präzedenzfall für diesen Vor-Ort-Fetischismus ist das Posieren von The Clash vor nordirischer Kriegskulisse, eine Eitelkeit, die damals nicht wenige Fans der Band übelgenommen haben - obwohl sie zweifellos die Stil -Provokation des Punk auf eine Spitze trieb, die ihren rein symbolischen Charakter bloßlegte (man muß den Clash im Nachhinein dankbar dafür sein). Manyika möchte diesen Fehler nicht machen, indem er die Bilder konzeptuell überwacht, das Plakative in den Dienst der Aussage stellt und so das Falsche in die Rolle eines Geburtshelfers des Wahren zwingen will. Um nur ja alles richtig zu machen, liefert er die Theorie zur Provokation gleich mit. Verblüfft liest man von einem Konzept namens „Art Terrorism“, das Manyika sich offenbar zusammen mit Stevo ausgedacht hat, einem in England schon berüchtigten Kulturideologen und „Macher“ vom Schlage eines Malcolm McLaren. So nennt man die alten Agitprop-Ideen also heute? Wenn dann noch berichtet wird, daß Stevo neben seinen vielfältigen Tätigkeiten als Plattenfirmen- und Galeriebesitzer noch eine Reiseagentur namens „Holidays For Maniacs“ betreibt, die Abenteuerurlaube in sogenannten „Problemzonen“ anbietet, fragt man sich, ob Zeke Manyika die Dinge nicht doch ein wenig aus der Hand geglitten sind.

Vielleicht hat er aber auch das strategisch integriert. Frankie ging nach Hollywood und Zeke macht sich eben auf den langen Marsch durch die Kulturindustrie. Bald wird die Hipness-süchtige Pop-Jugend ihn wieder abschießen, aber noch läuft er - wie im Video. Alles, um auch dem gelangweiltesten Discobesucher ins Ohr zu knüppeln: „Apartheid is a mastercrime against the human race.“

Thomas Groß

Zeke Manyika: Mastercrime

(Some Bizarre/Rough Trade)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen