"ZEIT-Leben"-Chef Amend: Kuscheln als Strategie
Christoph Amend ist Redaktionsleiter des "Zeit-Magazins Leben". Ein Job, in dem er die Traditionsmarke pflegen - und junge Leser gewinnen soll.
Eine Geschichte, die Christoph Amend nicht müde wird zu erzählen, geht so: Giovanni, gemeint ist der Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, sein Mentor, habe ihn zum Abendessen in ein Restaurant in Berlin-Mitte eingeladen. Man habe ein bisschen geplaudert, und dann habe di Lorenzo unvermittelt gefragt, ob er sein Ressort beerdigen wolle. "Mir ist beinahe die Sushi-Rolle aus dem Gesicht gefallen", erinnert sich Amend.
Dass er diese Geschichte überhaupt erzählt und dann auch noch so gerne, liegt am zweiten Teil: "Aber nur, um das Zeit-Magazin wiederzubeleben", habe sein Chef nachgeschoben. Natürlich wollte Amend das und konnte nun beruhigt aufessen.
Das ist der Gründungsmythos des Zeit Magazins Leben, das am 24. Mai 2007 zum ersten Mal (wieder) aus der Hamburger Wochenzeitung fiel. Besonders spektakulär ist er nicht - und passt damit ganz gut zu dem Produkt, auf das er sich bezieht.
Zuletzt hat Christoph Amend den Gründungsmythos am Montagabend auf der Verleihung des Branchenpreises "Der Goldene Prometheus" in Berlin beschworen, bei dem er als "Magazinjournalist des Jahres" ausgezeichnet wurde - "für die beste Magazin-Neueinführung des Jahres". Nominiert war auch Ulf Poschardt, der die andere Magazin-Neueinführung des Jahres 2007 verantwortet hat, nach seiner Absetzung als Vanity-Fair-Chefredakteur als Preisträger aber aus dem Rennen war.
Gerüchten einer klatschsüchtigen Branche zufolge soll auch Amend angezählt sein. Einige wollen sogar gehört haben, dass seine Ablösung als Redaktionsleiter des Zeit Magazins Leben bereits beschlossene Sache sei. Anlass für diese Spekulationen gibt die Verpflichtung von Florian Illies ("Generation Golf"), der die Zeit-Redaktion von März an als "Berater und Autor" verstärken soll. "Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Bereich des Zeit-Magazins", heißt es in der Pressemitteilung des Verlags.
"Dass Florian Illies kommt, ist eine große Bereicherung fürs Magazin", sagt Christoph Amend beim Gespräch in seinem von Büchern übersäten Berliner Büro, "und für mich eine besondere Freude. Wir sind befreundet und haben vor knapp fünf Jahren zum ersten Mal über einen Wechsel geredet, jetzt hat es geklappt!" Damals bereiteten di Lorenzo und Amend gerade ihren im August 2004 vollzogenen Wechsel vom Berliner Tagesspiegel nach Hamburg vor. Dort verdrängte Amend, der im Alter von 25 Jahren beim Tagesspiegel schon die Ressortleitung der Sonntagsbeilage übernommen hatte, den damaligen "Leben"-Ressortleiter von dessen Posten und entwickelte dieses nach der Einstellung des Zeit-Magazins 1999 vom derzeitigen Brigitte-Chefredakteur Andreas Lebert entwickelte Ressort zu einem handfesten Kaufargument für jüngere Leser weiter, die der Wiederauferstehung des Renommierobjekts Zeit-Magazin leider allzu leichtfertig geopfert wurde.
Bislang ist also alles ziemlich glatt gelaufen in Christoph Amends Karriere, die - wie bei so vielen Journalisten seiner Generation - bei der SZ-Jugendbeilage Jetzt begonnen hat. Mit knapp 34 Jahren muss sich Amend nun jedoch auf einer Position bewähren, die exponierter ist als alle vorangegangenen und dadurch auch ungleich verzwickter: Einerseits erwartet man von ihm, die glorreiche Tradition des Zeit-Magazins, inklusive der angestammten, angegrauten Leserschaft, zu pflegen; andererseits soll er junge Leser für die Wochenzeitung gewinnen - ein Dilemma, aus dem es nur einen Ausweg gibt: das harmlose Heft, das Amend und sein Team derzeit machen.
Für die Titelgeschichte der Ausgabe vom vergangenen Donnerstag erbaten sie von Deutschlands Kolumnisten Antworten auf die Frage "Wie mache ich mehr aus meinem Typ?" - wohl nicht ganz uneigennützig. Leider jedoch verstand keiner der Autoren die Anfrage als Hilferuf in eigener Sache. Einen Tag später titelte die Konkurrenz vom SZ-Magazin "Wir haben Krebs" - und brauchte für den Sieg im direkten Vergleich noch nicht mal einen witzigen Doppeltitel, sondern nur das Foto einer Gruppe Krebskranker aus allen Altersgruppen.
Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele wie die Titelgeschichte des aktuellen Zeit-Magazins, die Amend einem besonders ans Herz legt. Darin porträtiert die Autorin Anita Blasberg eine gewalttätige 14-Jährige in ihrer Berliner Parallelwelt. Doch in Kombination mit einem Gespräch zwischen Starkoch Eckart Witzigmann und einer Berliner Imbisbudenbetreiberin, einer Bildstrecke zu Herrenhandtaschen und einem Pro und Contra zu Sarkozy - "Angeber oder ganzer Kerl?" - verpuffen diese ehrenwerten Versuche, gesellschaftlich brisante Themen magazingerecht umzusetzen, weitestgehend. Die gefühlte Irrelevanz überwiegt.
Christoph Amend sieht im Gespräch mit der taz weder diesen Feind noch diejenigen im eigenen Hause. "Gegner?", fragt er ungläubig. "Ich wüsste keine." Nicht Angriff, sondern Kuscheln scheint seine bevorzugte Verteidigungsstrategie zu sein. Amend charmiert in bester Giovanni-Tradition und lobt die "großartigen Autoren der Zeit" für deren unbedingten Einsatzwillen für sein Magazin. Amends Welt ist so in Ordnung, dass es schwerfällt, ihm das zu glauben.
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