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ZDF-Serie „Der Palast“Ab jetzt müssen wir Geld verdienen

Aller Anfang nach der DDR war schwer, aber das Ende kann nicht schlecht sein. Die zweite Staffel von „Der Palast“ lebt von Figuren in der zweiten Reihe.

Steht für Palast-Glamour: Taynara Silva Wolf als Tänzerin Karla Foto: Nadja Kier/ZDF

Berlin taz | Paris hat das Lido, die Folies Bergère und natürlich das Moulin Rouge. Die alte BRD hatte nichts dergleichen – die DDR immerhin den Friedrichstadt-Palast. Aber ach, als anno 1990 die DDR plötzlich ausgedient hatte, die Ossis nur noch nach Westen schauten, wo die Wessis jenseits des Paris-Urlaubs mit der Form des Varietétheaters nichts anzufangen wussten, was sollte da nur aus dem Friedrichstadt-Palast werden?

„Ey, ich bin froh, wenn endlich mal wieder mehr Leute im Publikum sitzen, als auf der Bühne steh'n“, formuliert konsterniert eine Tänzerin. „Warum schließen wir den Palast nicht sofort?“, fragt unverzagt ein Adlatus den Kultursenator. „Ich will endlich meine Girl-Reihe wieder vollständig haben“, wünscht sich die altgediente Ballettdirektorin (Jeanette Hain). „Der Sozialismus ist vorbei. Ab jetzt muss leider erst mal was geleistet werden, bevor man den Mund aufmacht“, knallt ihr das arrogante Arschloch von neuem Intendanten, das Abziehbild eines Besserwessis, vor den Latz.

In der mehr oder weniger fiktiven zweiten Staffel des vor genau drei Jahren im ZDF debütiert habenden „Palastes“ (Buch damals wie heute: Rodica Doehnert), einer (vom ZDF) so genannten „Event-Serie“, geht es gleich genregemäß zur Sache.

Die drei wirklich hübsch anzusehenden neuen Tänzer des Ensembles – ein sich auf rührige Weise zugetanes Geschwisterpaar von der Ostsee (Lary Müller und Lukas Brandl) und eine Münchnerin (Taynara Silva-Wolf) von der Sorte, wie man sie in „Ku’damm 56“, einer anderen ZDF-„Event-Serie“, burschikos genannt hätte – sie sind nicht die eigentliche Attraktion des Programms.

Der Palast

ZDF, ab 6.1., 20:15 Uhr, und in der Mediathek

Eher handfest

Das übernehmen vielmehr die vermeintlichen Nebenfiguren: jene sich nach außen hart gebende („Ballett und Sentimentalität schließen sich aus“), dann aber auf denkbar romantische, um nicht zu sagen Soap-gemäße Art (ausgerechnet auf der Loveparade) mit dem signifikant jüngeren männlichen Part des Geschwisterpaars anbandelnde Ballettdirektorin; die im Stile von Waldorf und Statler aus der „Muppet Show“ das Geschehen kommentierenden zwei Faktoten, der Kostüm- und der Maskenbildner, gespielt von Bernd Moss und Matthias Matschke, bei dem es in Sachen Berlinern noch immer so hapert wie schon in der ersten Staffel, aber egal; die eher handfeste Kittelschürzen-Kantinenchefin (Petra Kleinert), die mit der Idee des neuen Intendanten, ihre Kantine in ein Gourmetrestaurant zu verwandeln, erwartungsgemäß fremdelt; der neue Intendant, gegeben von einem in „Babylon Berlin“ als Fiesling gestählten Benno Führmann, mit seinen Flausen: „Ab jetzt müssen wir Geld verdienen. Und wir werden Geld verdienen. Viel Geld. Der Palast wird Casino. Las-Vegas-Style.“

Das ZDF bedient seine Zielgruppe mit der traumwandlerischen Sicherheit eines öffentlich-rechtlichen Dickschiffs, an dem sämtliche neuen Erzählformen abprallen. Die Serie lässt sich in der hauseigenen Mediathek streamen, aber Netflix und „Squid Game“ sind Lichtjahre entfernt.

Stattdessen werden (Film-)historische Motive aufgerufen von „Fame“ (1980) bis „Anna“ (1987), eine maximal künstlich anmutende Kulissenstraße lässt an „Sonnenallee“ (1999) denken. Uli Edel (1947) hat es schon, als im Grunde einziger Regisseur, der als Kontroll-Freak und Grantler berüchtigten Produzentenlegende Bernd Eichinger recht zu machen gewusst. Da ist der gemeine ZDF-Zuschauer (Durchschnittsalter: 65) für ihn gewissermaßen ein gefundenes Fressen.

Und wer weiß, dass der Friedrichstadt-Palast schließlich sogar den einstigen Pariser Größen Jean-Paul Gaultier und Thierry Mugler ein neues Zuhause (oder immerhin: eine Beschäftigung) gegeben hat, der weiß, dass das Ende kein schlechtes sein kann.

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