ZDF-Remake der Serie „Broadchurch“: Nur die Konvention kopiert
Das ZDF versucht sich mit „Die verschwundene Familie“ wieder an einer Kopie der englischen TV-Serie „Broadchurch“. Geht nicht so gut.
Zuerst die gute Nachricht: Das Produkt, mit dem das ZDF die TV-Mehrteiler-Saison eröffnet, ist, mal wieder, hervorragend besetzt, bis in die kleinsten Nebenrollen.
Zum Beispiel Gustav Peter Wöhler als schmieriger Hotelier mit einschlägiger pädosexueller Vergangenheit. Zum Beispiel Rüdiger Vogler als selbstgefälliger Großschriftsteller-Eremit. Zum Beispiel Rainer Bock – der in „Better Call Saul“ das Publikum amerikanischer Qualitätsserien als etwas zu guter Deutscher gerührt hat – als untreuer Ehemann, der vor seiner Frau möglicherweise mehr zu verbergen hat als nur seine Affäre. Denn seine Frau ist die eine Hälfte des – Überraschung – höchst ungleichen Ermittlerduos. Und seine Affäre ist die Frau des von einer Klippe gestürzten Toten, die gemeinsam mit ihrer Tochter wie vom Erdboden verschluckt ist. Oder vom Meer?
Besagte Ermittlerin, Hella Christensen, gibt Barbara Auer, die den Job auch schon im ARD-„Polizeiruf 110“ und in der ZDF-„Nachtschicht“ erledigt hat. Nichts schuldig in Sachen Erfahrung bleibt ihr ihr Nichtpartner Heino Ferch alias Simon Kessler („Wir sind keine Partner, Christensen!“). Für die ARD legt er Verbrechern in der „Allmen“-Reihe das Handwerk, fürs ZDF in „Spuren des Bösen“.
Dass es sich bei dem vorliegenden Zweiteiler „Die verschwundene Familie“ um einen Krimi handelt, muss nicht extra erwähnt werden, oder? Das ist schließlich der Normalfall. Auer und Ferch, Christensen und Keller: Klingelt da was? Ja? Nein? Kein Wunder bei den vielen Toten, die uns das öffentlich-rechtliche Fernsehen jedes Jahr präsentiert. 2015 ermittelten die beiden schon einmal gemeinsam in dem fiktiven schleswig-holsteinischen Ort Nordholm, nachdem die Leiche des vierzehnjährigen Mädchens Jenni angespült worden war. Vier Jahre nach dem „Tod eines Mädchens“, so der damalige Titel, sind Christensen und Keller zwar immer noch keine Freunde, ermitteln aber wieder gemeinsam vor Ort.
Der Mord und die Kleinstadt
Womit wir bei der schlechten Nachricht wären. „Tod eines Mädchens“ war das für deutsche Verhältnisse überdurchschnittliche, mehr als nur leidlich spannende inoffizielle Remake (um nicht zu sagen: Plagiat) der herausragenden britischen Serie „Broadchurch“. In „Broadchurch“ ging es um den Mord an dem elfjährigen Jungen Danny. Vor allem aber ging es darum, was so ein Mord mit einer Kleinstadtgemeinschaft macht, in der jeder jeden kennt. Dieses Psychogramm jenseits aller Krimi-Konventionen wurde in zwei weiteren Staffeln vertieft, deren jüngste das ZDF seinen Zuschauern bislang vorenthalten hat.
Aber: Für die langfristigen Wirkungen von Jennis Tod bringen die Macher von „Die verschwundene Familie“ (Buch und Regie: Thomas Berger) bestenfalls ein oberflächliches Interesse auf. Viel mehr, als dass der Vater inzwischen aus Nordholm weggegangen ist, erfährt der Zuschauer nicht.
Wenn sie sich da beim ZDF nebst famosen Schauspielern schon so eine fantastische Vorlage suchen – warum nehmen sie sie dann nicht ernst? Warum adaptieren oder kopieren sie nicht die Innovation, sondern nur den Teil, der Krimi-Konvention ist? Und in „Die verschwundene Familie“ nicht einmal mehr den. Die vom ZDF konstruierte und gegen alle Plagiatsvorwürfe gefeite Fortsetzung um die verschwundene Restfamilie (wie es eigentlich heißen müsste, denn der Vater ward ja zu Beginn gefunden, nur eben tot) erweist sich am Ende als genau das: arg konstruiert. Und Ferch/Kessler, der mit einigem Gedöns als veritables Arschloch eingeführt wird, erweist sich als Typ vom recht konventionellen Schlag: harte Schale, weicher Kern.
Der Drehbuchautor Frank Zeller hat am Samstag in einem Text in der Süddeutschen Zeitung die AfD-Erfolge mit der deutschen Krimischwemme und der Identifikation der hiesigen Zuschauer mit den Helden von der Staatsgewalt kurzgeschlossen: „Zeigt sich hier nicht wieder die altbekannte deutsche Sehnsucht nach Unterordnung unter eine Autorität?“ Eine steile These.
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